Die folgenden Ausführungen über Endgeräte
beziehen sich vorerst nur auf Internetprovider[1116].
Diese dienen als “Vermittler” zum Internet, haben also sowohl
Anschluß an das herkömmliche Telefonnetz als auch an das Internet.
Welche Geräte schließt ein Provider unmittelbar an physische
Verbindungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes an?
Auf der Seite des Telefonnetzes werden dies einzelne
Modems oder ganze Modemracks sein.[1117]
Fraglich ist, ob Endgeräte auch auf der “anderen
Seite” des Providers, also dessen Anbindung an das Internet (jenen
Seite mit IP-Adresse), stehen. Handelt es sich hier um ein öffentliches
Telekommunikationsnetz im Sinn des TKG?
Ist das Internet eine Telekommunikationsinfrastruktur,
mit der Signale übertragen werden können? Nochmals sei hier die
Definition des Begriffs “Internet” angeführt: Es handelt
sich dabei um die Gesamtheit aller Computernetzwerke, die das Internet-Protocoll
verwenden. Meyers Lexikon definiert Infrastruktur als die Gesamtheit aller
öffentl. Einrichtungen der Vorsorgeverwaltung (z. B. die der Allgemeinheit
dienenden Einrichtungen für Verkehr und Beförderung, Fernsprech-
und Fernmeldewesen, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Bildung
und Kultur, Krankheitsvorsorge und Krankenbehandlung). Ob diese Einrichtungen
physisch greifbar sein müssen, geht aus dieser Definition nicht hervor.
Das Internet ist auf jeden Fall nicht greifbar sondern definiert nur die
Gestaltung der Signale. Diese Signale werden auf einer schon bestehenden
Infrastruktur übertragen. Es ist also vergleichbar mit einer Sprache,
die alle Internet-Computernetzwerke verstehen. Das Internet selbst überträgt
keine Signale, es besteht aus diesen Signalen. Übertragen werden diese
Signale z.B. von Telefonleitungen der PTA, Funkstationen, Glasfaserkabeln
und sonstigen Breitbandkabeln der diversen nationalen und internationalen
Anbieter.
Welche Bedeutung erschließt sich aus den Worten
“zwischen definierten Netzabschlußpunkten”? Im Zusammenhang
mit der Definition “öffentliches Telekommunikationsnetz”
leider keine. Zwar bietet § 3 Z 6 eine Definition für “Netzabschlußpunkt”,
diese Definition verweist aber wieder auf die Definition “öffentliches
Telekommunikationsnetz”, womit der Zirkelschluß perfekt wäre.
Die Problematik des Begriffs “öffentlicher
Telekommunikationsdienst”, zu dem eine Telekommunikationsinfrastruktur
zumindest (“unter anderem”) genutzt werden muß, um dem
Begriff öffentliches Telekommunikationsnetz zu unterfallen, wurde schon
vorher dargelegt.[1118]
Eine abschließende Aussage, ob das Internet ein
öffentliches Telekommunikationsnetz im Sinn des TKG darstellt, läßt
sich mangels begrifflicher Schärfe der Definitionen nicht treffen.
Die Bedeutung der Einordnung des Internets unter diesen
Begriff ist aber nicht wesentlich, da die von der PTA gemieteten Leitungen
auf jeden Fall den Begriff öffentliches Telekommunikationsnetz unterfallen.
Auf der Seite des Internets schließen die Internetprovider
optische Wandler, Netzwerkkarten oder ISDN-Modems an die Datenleitung an.
Die Inhaber von Endgeräten haben nun, nach §
75 Abs 2 TKG, soweit ihnen dies zumutbar ist, geeignete Maßnahmen
zu treffen, um eine mißbräuchliche Verwendung auszuschließen.
Dazu zählt jede Nachrichtenübermittlung[1119],
die gegen die Gesetze verstößt und auch jede Verletzung von Geheimhaltungspflichten.
Aus dieser[1120]
Haftung werden Diensteanbieter, die lediglich denZugang zuTelekommunikationsdiensten
vermitteln, entlassen. Diese gelten durch eine Legalfiktion, denn in realiter
sind sie Inhaber von Endgeräten, nicht als Inhaber von Endgeräten.
Die Regierungsvorlage merkt dazu an: “Es ist nunmehr klargestellt,
daß bloß “Access-Provider", wie etwa Firmen, die einen
Zugang zum Internet anbieten keine Verantwortung gemäß dieser
Bestimmung trifft.”
Hier wird mit Begriffen operiert, die sich nicht einmal
noch in der Lehre, geschweige denn in der Gesetzgebung, gefestigt haben.
Wie im Abschnitt über Internetprovider dargelegt, kommt dem eng ausgelegte
Begriff “Access-Provider” in Österreich keinerlei praktische
Bedeutung zu. Falls der Begriff weiter ausgelegt werden soll, zum Beispiel
mit Betrieb einer Mailbox, findet er im Gesetzeswortlaut keine Deckung mehr
(“lediglich den Zugang”). Man könnte diese Bestimmung auch
dahingehend interpretieren, daß Dienste gemeint sind, dielediglich
den bloßen Wiederverkauf (Handel mit) von Telekommunikationsdienstleistungen
(§ 3 Z 14) betreiben. Diese eng auszulegenden Dienste fallen aber
wie oben dargelegt nicht unter den Geltungsbereich des TKG womit die Bestimmung
wirkungslos wäre.
Das Ziel dieser Bestimmung[1121]
ist zu begrüßen, es wird allerdings durch diesen Gesetzeswortlaut
nicht erreicht. Kaum ein in Österreich agierenden Internetprovider
wird durch diesen Satz generell von der Haftung ausgenommen.
Welche Maßnahmen sind nun geeignet und zumutbar,
um eine mißbräuchliche Verwendung von Modems oder Netzwerkkarten
auszuschließen? Um dies festzustellen, muß man sich die Tätigkeit
von Modems vor Augen führen. Sie modulieren digitale Daten, die aus
dem Computer kommen, in Töne (analoge Daten) um, die weiterübertragen
werden, und demodulieren die empfangenen Töne wieder in digitale Daten
und leiten diese an den Computer weiter.[1122]
Netzwerkkarten bereiten die empfangenen Daten auf und leiten sie an den
PC weiter. Eine inhaltliche Kontrolle der Daten, die im Fall des Internets
ja nur paketweise an das Modem geleitet werden und so inhaltlich nie in
einem Zusammenhang stehen, erfolgt nicht. Dadurch, daß keine Nachrichten
übertragen werden, wie im Gesetzestext normiert, sondern nur Datenpakete,
ist eine inhaltliche Kontrolle nicht möglich. Tatsache ist aber,
daß diese Geräte Endgeräte im Sinn des TKG sind.
Kann deshalb ein Server, der ja die Dokumente
,die vermittelt werden, in ihrer Gesamtheit gespeichert hat, dem Begriff
des Endgeräts unterfallen? Die Definition des Begriffs “Endgerät”
bestimmt, daß dieses “dabei unmittelbar oder mittelbar an
die Netzabschlußpunkte eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes
angeschlossen werden soll”. Ein mittelbarer Anschluß eines
Servers an das Internet ist Voraussetzung dafür, daß er im Internet
erreichbar ist.
Die Konsequenz daraus: Jeder der österreichischen
Jurisprudenz unterstehende, an das Internet angeschlossene Server, ist ein
Endgerät im Sinn des TKG.[1123]
Deren Inhaber haben wie erwähnt, nach § 75
Abs 2 TKG, soweit ihnen dies zumutbar ist, geeignete Maßnahmen zu
treffen, um eine mißbräuchliche Verwendung auszuschließen.
Hier ist eine inhaltliche Kontrolle der auf dem Rechner abgespeicherten
Daten zumindest theoretisch möglich. Es wäre zumindest theoretisch
denkbar, die abgespeicherten Daten die zum Abruf für jederman bereitgehalten
werden (eben WWW-Seiten), unter den Begriff Nachrichten des § 75 Abs
1 Z 1 TKG zu subsumieren. Wieder bleibt fraglich, warum hier von “Nachrichten”
und nicht “Daten” die Rede ist. Ob diese Kontrollpflicht auch
technisch und praktisch machbar ist, sei vorerst dahingestellt.
Es ist zuerst auf die Z 3 des § 75 Abs 1 TKG hingewiesen,
die als mißbräuchliche Verwendung auchjede Verletzung der
nach diesem Gesetz und den internationalen Verträgen bestehenden Geheimhaltungspflicht
normiert. Dabei ist natürlich sofort an das Fernmeldegeheimnis zu denken,
das im § 88 TKG normiert ist.[1124]
Ist es aber wirklich hier anwendbar? Das Fernmeldegeheimnis stellt auf einen
Telekommunikationsvorgang ab (§ 88 Abs 1 TKG) und besteht auch nach
der Tätigkeit, durch die sie begründet wurde weiter (§ 88
Abs 2 TKG). Ein Telekommunikationsvorgang findet beim bloßen Anbieten
von Daten aber noch nicht statt.
Auch die Mißbrauchsvorschriften der Z 1 und Z 4
sprechen von Nachrichtenübermittlung.Ist das alleinige
Speichern von Daten, die gegen Gesetze verstoßen auf einem Server
keine mißbräuchliche Verwendung eines Endgeräts im Sinn
des TKG? Dies scheint der Fall zu sein. Man wird allerdings zwischen den
Daten die zum Abruf freigegeben sind und allen anderen Daten, die nur mittels
Identifikation zugänglich sind, unterscheiden müssen. Da die WWW-Angebote
auch anonym abrufbar sind, kann hier nicht von einer Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses
gesprochen werden. Vielmehr ist das WWW als weltweit öffentlich zugängliches
Medium einzustufen. Auf E-Mails kann hingegen nur nach Eingabe von UserID
und Paßwort zugegriffen werden. Es handelt sich um Inhaltsdaten einer
Kommunikation an eine bestimmte Person, die durch das Fernmeldegeheimnis
auch nach dem eigentlichen Fernmeldevorgang geschützt sind. (§
88 Abs 2 TKG)
Bei zum Abruf freigegeben Daten wie WWW-Inhalten, besteht
auf jeden Fall die potentielle Gefahr, daß sie jeden Moment abgerufen
werden und somiteine Nachrichtenübermittlung, welche die öffentliche
Ordnung und Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährdet oder welche
gegen die Gesetze verstößt, unmittelbar bevorsteht.
Es würde hier auch kein Eingriff in Geheimhaltungspflichten
stattfinden, da die Daten mit dem vollen Bewußtsein der Veröffentlichung
freigegeben worden sind. Sie sollen eben von jedem Internetteilnehmer abgerufen
werden können.
Eine Kontrolle dieser freigegebenen Daten ist also zumindest
juristisch möglich. Fraglich ist aber, ob dies dem Inhaber des Endgeräts
(Server) auch zumutbar ist. Er müßte damit u.a. jede Nachrichtenübermittlung,
welche gegen die Gesetze verstößt,ausschließen. Das
Problem liegt nicht so sehr in der technischen Umsetzung, sondern vor allem
in dieser Bestimmung. Wie soll ein durchschnittlich, sorgfältiger Internetprovider
überprüfen, ob mit dem Anbieten z.B. eines Bildes eine Urheberrechtsverletzung
stattfindet? Er könnte sich dieses Bild stundenlang anschauen aber
nie draufkommen, ob dadurch dieses Gesetz verletzt wird. Denn selbst wenn
das Bild einen Urheberrechtsvermerk trägt, besagt das noch lange nicht,
daß es sich tatsächlich um eine Urheberrechtsgesetzverletzung
handelt. Problematisch ist, daß der Internetprovider den Inhalt aber
nicht auf den Server gespielt hat - dies war sein Kunde. Der Provider nimmt
aber faktisch selbst die möglich Urheberrechtsverletzung durch das
Anbieten auf seinem Server vor. Er ist deshalb nicht nur Gehilfe sondern
direkter Täter, allerdings ohne Vorsatz. Bezüglich des Gehilfen
meint der OGH nämlich: “Für den Gehilfen ist das bewußte
Fördern des Täters Tatbestandsmerkmal.”[1125]
Eine Paralelle zu den Internetprovidern ist der Zeitungskolporteur, der
ein Zeitschrift mit einem Foto ohne Zustimmung des Lichtbildherstellers
verkauft. Der Kolporteur verbreitet dadurch die Zeitschrift und greift in
das Ausschließlichkeitsrecht des § 16 UrhG ein. § 82 Abs
1 UrhG gewährt dem Verletzten einen verschuldensunabhängigen[1126]
Beseitigungsanspruch. Der Fotograf hat gegen den Kolporteur einen Unterlassungsanspruch;
im Wiederholungsfall kann er mit Beugestrafen gegen ihn vorgehen.[1127]
Ob diese Lösung sachgerecht ist, ist sehr fraglich. Der Kolporteur
müßte, ähnlich wie dies jetzt für Provider diskutiert
wird, jede Seite des Inhalts auf Gesetzesverletzungen prüfen. Dillenz
schlägt als Lösung das Erfordernis der Vorausabmahnung vor[1128],
das allerdings erst gesetzlich vorgesehen werden müßte. Dies
wäre sicher ein denkbarer und sachlich ausgewogener Lösungsansatz.
Zurück zur Verantwortlichkeit der Internetprovider nach dem TKG: Woher
soll ein Provider wissen, ob eine sexuelle Darstellung bereits die öffentliche
Ordnung oder Sittlichkeit gefährdet[1129]
oder eben noch nicht. Das Pornographiegesetz[1130]
macht jedenfalls eine Strafbarkeit nach §§ 1 und 2 vom Vorsatz
abhängig.[1131]
Ein Rechtsirrtum über die Unzüchtigkeit ist nicht vorwerfbar,
wenn im Vertrauen auf die gerichtliche Freigabe gleichartiger Werke gehandelt
wurde; das Unrecht der Tat sei nicht leicht erkennbar und eine besondere
Informationspflicht nicht gegeben.[1132]
Eine Kontrolle aller frei angebotenen Daten auf einem
Server wäre zwar möglich, es ist dies aber a priori nicht zumutbar
um eine mißbräuchliche Verwendung auszuschließen.
Lediglich eine Möglichkeit der Interpretation bleibt,
um der Vorschrift des § 75 TKG im Bereich des Internetproviders einen
Sinn zu geben. So wie dies im deutschen Teledienstegesetz geregelt ist,
wird der Provider zur Sperrung der Nutzung rechtswidriger Inhalte verpflichtet
wenn er von diesen Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch
möglich und zumutbar ist. Dieses “Kenntnis erlangen” wird
dabei eng auszulegen sein und zwar ist damit eine offizielle Nachricht etwaiger
Ermittlungs- oder Gerichtsbehörden zu verstehen. Die Rechtswidrigkeit
ist damit von kompetenter Seite indiziert und der Provider hat keine Ermittlungen
im vorhinein anzustellen, wird also nicht als vorgeschaltete Zensurbehörde
tätig.