Eigentlich war die sogenannte Sunrise Period bei der Registrierung der .info-Domains dafür gedacht gewesen, Markeninhabern die Registrierung ihrer Domains vorab zu ermöglichen. Ausdrücklich sollte damit Domain-Grabbing verhindert werden. Inhaber von vor dem 2. Oktober 2000 gültigen Marken konnten unter Angabe des Markennamens, des Registrierungsdatums, der Registrierungsnummer und des Registrierungslandes ihre .info-Domain registrieren lassen. Tatsächlich hat es allerdings bei den Registrierungen in der Sunrise Period einige Unregelmäßigkeiten gegeben. So wurden Marken, die nie eingetragen worden waren (und teilweise auch wegen der Registrierungshindernisse des § 4 MaSchG zB für Gattungsbezeichnungen gar nicht eintragungsfähig wären) samt dazugehörigen Registrierungsnummern, -daten und ländern erfunden, um sich die gewünschte .info-Domain schon vor der sogenannten Start-Up Period zu sichern. Ab dieser Start-Up Period kann sich jeder User seine .info-Domain registrieren lassen kann (vorausgesetzt sie ist zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden).
In vielen Fällen wird hier klassisches Domain-Grabbing vorliegen. Darüber hinaus werden bei zahlreichen Registrierungen auch Verletzungen von Namens-, Marken- und/oder Kennzeichenrechten gegeben sein. Hier besteht bereits eine breite Judikatur der Gerichte.
Noch nicht gerichtlich geklärt ist, wie allerdings ein namens-, marken- oder kennzeichenrechtlich nicht Berechtigter in Fällen, in denen auch kein Domain-Grabbing vorliegt, gegen die Registrierung vorgehen könnte. Angenommen, ein User wollte sich einen Domain-Namen, an dem weder er noch jemand anderer ein Namens-, Marken- oder Kennzeichenrecht hat, für den privaten Gebrauch in der allgemeinen Start-Up Period registrieren lassen und muss nun feststellen, dass sich diese Domain ein ebenso Unberechtigter in der Sunrise Period unter Vorgabe eines nicht existenten Markenrechts erschlichen hat, so stellt sich die Frage, wie er mit dem Instrumentarium des österreichischen Rechts eine Löschung oder ev sogar eine Übertragung der Domain erzielen könnte.
Weder Marken-, noch Namens- oder Wettbewerbsrecht können hier direkt zur Anwendung gebracht werden. Da eine bloße Idee eines Domain-Namens keinen urheberrechtlichen Schutz genießt, bietet auch das UrhG keine Handhabe.
Mader hat zum sittenwidrigen Erwerb eines Markenrechts ausgeführt, dass das Erschleichen eines Markenrechts dazu führe, dass das Markenrecht nicht wirksam erworben wurde und daher auch nicht vorhanden sei (Mader, Neuere Judikatur zum Rechtsmissbrauch). Die aus einem Markenrecht üblicherweise resultierenden Rechte bestehen bei Erschleichung des Markenrechts daher nicht.
Diese Erkenntnis, dass bei missbräuchlichem Erwerb eines Rechts, die aus diesem Recht wiederum resultierenden Rechte nicht durchsetzbar sind, verschafft allerdings dem User noch nicht die von ihm gewünschte Domain. In österreichischen Gesetzen findet sich nämlich keine Bestimmung, die der Domain-Vergabestelle die Pflicht zur Löschung der Domain bei missbräuchlicher Erlangung auferlegt. Ganz abgesehen davon, dass die .info-Vergabestelle Afilias ihren Sitz in Irland hat.
Dem bestehenden Rechtschutzbedürfnis wird allerdings auf anderem Weg durch ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren entsprochen. Durch einen sogenannten Sunrise Registration Challenge (siehe auch Stellungnahme von Afilias: http://www.afilias.info/press-room/releases/release-20010815-1.html) sollen in der Sunrise Period erschlichene Registrierungen bekämpft werden können.
Bei diesem Sunrise Registration Challenge handelt es sich um ein Schiedsverfahren (Verfahrenssprache ist Englisch) vor dem World Intellectual Property Organization (WIPO) Arbitration and Mediation Center. Dieses Schiedsverfahren führt ähnlich wie die Schiedsverfahren unter der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy zu einer unmittelbaren Rechtsdurchsetzung ohne nationale Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren.
Grundsätzlich kann jede natürliche oder juristische Person ein Challenge-Verfahren anstrengen. Der Challenge wird dabei via E-Mail übermittelt und muss neben Namen, Adresse und einem Vertreter sowie einer Bankverbindung und den Kreditkartendaten des Challengers (das ist derjenige, der gegen eine .info-Registrierung vorgeht) den Namen und ev Kontaktinformationen des Respondents (Domain-Inhaber), den Domain-Namen, die Registrierungsstelle (Registrar) und die Challenge-Gründe enthalten. Als Sunrise-Registration-Challenge-Gründe kommen dabei in Betracht:
· Fehlen einer Markenregistrierung
· Fehlende Übereinstimmung zwischen der Marke und dem Domain-Namen
· Ungültige Markenregistrierung
· Markenregistrierung nach dem 2. Oktober 2000.
Neben den Challenge-Gründen müssen die Anträge (zB auf Übertragung, Löschung) spezifiziert und Angaben über ev laufende (gerichtliche) Verfahren in derselben Angelegenheit gemacht und der Nachweis erbracht werden, dass eine Kopie des Challenge auch an den Respondent übermittelt wurde. Gleichzeitig mit dem Challenge muss der Antragsteller (Challenger) eine Erklärung abgeben, dass er auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die WIPO, die Registrierungsstelle, bei der die Domain registriert wurde, gegen die Registry (Afilias) und die ICANN verzichtet.
Bei Einbringung eines Challenge hat der Challenger eine Gebühr von USD 295 via Kreditkarte zu bezahlen. Im Fall des Obsiegens wird ihm der Großteil der Gebühr (USD 220) rückerstattet. (Die verbleibenden USD 75 müssten vom Gegner auf gerichtlichem Wege durch Schadenersatzklage eingebracht werden. Ob sich das angesichts der Höhe dieses Betrages auszahlt ist allerdings fraglich.)
Offizieller Verfahrensbeginn erfolgt nach Prüfung der formalen Voraussetzungen und des Erlags der Challenge-Gebühr mit Benachrichtigung des Respondents durch das WIPO Arbitration and Mediation Center.
Innerhalb von zehn Tagen nach dem Beginn des Verfahrens hat der Respondent seine Kreditkartendaten bekanntzugeben, innerhalb von 60 Tagen ab Verfahrensbeginn hat er eine Challenge-Beantwortung einzubringen und gleichzeitig ebenfalls eine Gebühr von USD 295 per Kreditkarte zu bezahlen (im Fall seines Obsiegens erhält er die Gebühr zur Gänze rückerstattet). In dieser Beantwortung hat der Respondent auf die Challenge-Gründe einzugehen, Unterlagen (beglaubigte Übersetzungen ins Englische) zum Beweis seiner Marken-Rechte im Original oder beglaubigten Kopien vorzulegen und seinen Namen, Adresse, Bankverbindung sowie Informationen über weitere in derselben Sache laufende Verfahren bekanntzugeben.
Ein mündliches Verfahren ist nicht vorgesehen; weitere Schriftsätze sind nur auf Aufforderung oder mit Zustimmung des Schiedsgerichts einzubringen. Versäumt der Respondent die Übermittlung einer Challenge-Beantwortung oder den Erlag der Respondents Fee, so wird dem Challenge stattgegeben mit anderen Worten er verliert seine Domain.
Die Entscheidung des WIPO Arbitration and Mediation Center gründet sich auf eine Prima-Facie-Untersuchung der vorgelegten Markenregistrierungen. Dabei soll die Entscheidung innerhalb von 20 Tagen ab Erhalt der Challenge-Beantwortung bzw. ab Ablauf der Frist für die Challenge-Beantwortung getroffen werden.
Abgesehen von schneller Abhilfe, in Fällen, in denen das österreichische Recht keine Abhilfe zu schaffen vermag, bietet das Challenge-Verfahren auch zB in Fällen des klassischen Domain-Grabbing einen wesentlichen Vorteil gegenüber gerichtlichen Verfahren: Die Domain kann im Fall des Obsiegens des Challengers auch (in einem besonderen Registrierungs-Vorgang) auf diesen übertragen werden. Die österreichische Judikatur zum Domain-Grabbing hat bis dato nur einen Löschungs-Anspruch gewährt, nicht jedoch eine direkte Übertragung der Domain.