WIPO, die Weltorganisation für den Schutz geistigen
Eigentums, ist eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Genf. Als
eine von 16 spezialisierten Agenturen der UNO befaßt sie sich mit
dem Schutz geistigen Eigentums. Darunter fällt industrielles Eigentum
wie z.B. Markennamen, Erfindungen, originäre Produktionsmethoden, und
ebenso künstlerisches Schaffen wie Literatur, Musik, visuelle Kunstwerke,
Fotografie und audiovisuelle Produkte. 159 Staaten haben sich bislang der
WIPO angeschlossen und ihre Gesetzgebung entsprechend den WIPO-Verträgen
und des darin enthaltenen Freiraumes ausgerichtet.
Als Ausgangspunkt dient die Berner Konvention zum internationalen
Schutz geistigen Eigentums, die 1886 von 10 Staaten ins Leben gerufen und
1967 aktualisiert wurde. [374]
Auf Grund der seitdem einher gegangenen technischen,
kulturellen und sozialen Entwicklung sah man dringenden Bedarf, diese Konvention
so zu erweitern, daß den neuen digitalen Medien Rechnung getragen
wird. Im Vorfeld wurde vor allem von der Unterhaltungs- und Schallplattenindustrie,
aber auch von den Softwareherstellern Druck auf eine rasche Erweiterung
der Bestimmungen ausgeübt.
Der WIPO Copyright Treaty (WCT) wurde von der Diplomatischen
Konferenz am 20. Dezember 1996, gleichzeitig mit dem WIPO Performances and
Phonograms Treaty (WPPT), beschlossen. Beide Verträge beziehen sich
vor allem auf die Einräumung des Rechts der Verbreitung von Kopien
von Werken. Art 6 WCT und Art 8 und 12 des WPPT bestimmen ein ausschließliches
Verbreitungsrecht, das sich auf Vervielfältigungs stücke,
also körperliche Gegenstände bezieht.
Völlig neu ist die Bestimmung des Art 11 WCT und
des entsprechenden Art 18 WPPT, die die Vertragspartner verpflichtet, einen
juristischen Schutz gegen die Umgehung von technologischen Schutzmaßnahmen
vorzusehen. Mit technologischen Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel der
Verschlüsselung kann der Schutz von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten
gesichert werden. Man konnte sich allerdings nicht auf einzelne Elemente
dieses Schutzes einigen, so daß die Bestimmung recht allgemein gehalten
ist.
Ebenfalls neu ist die Verpflichtung zum Schutz von
sogenannter “Rights Management Information”. Sie wird in Art
12 WCT und Art 19 WPPT festgelegt. Bei Rights Management Information handelt
es sich um dem elektronischen Dokument beigefügter Information, die
zum Beispiel nähere Information zu dem Werk, dem Rechteinhaber und
den Nutzungsbedingungen beinhaltet. [375]
Verboten ist das Ändern oder Entfernen solcher zusätzlicher Informationen
und das Verbreiten solcher Werke, bei denen der Verbreiter vom Fehlen solcher
Information weiß. Die erwähnten Vorschriften enthalten allerdings
keine Verpflichtung an die Vertragsstaaten zur Einführung solcher Rights
Management Information.
Der WIPO Copyright Treaty [376]
(WCT) ist ein Sonderabkommen im Sinn von Art 20 der RBÜ. Es gilt der
weite Inländergrundsatz und der Mindestrechte nach Art 5 RBÜ [377].
Art 3 des WCT gewährt mit Hilfe eines Verweises das Formalitätenverbot
der RBÜ. An gegenständlichen Regelungen bezieht sich der WCT auf
urheberrechtliche Regelungen von Computerprogrammen ohne Rücksicht
auf die Art und Form des Ausdrucks (Art 4 ) und Datensammlungen, die in
jeder Form geschützt sind (Art 5).
Art 8 des WCT führt ein “Right of Communication
to the Public” ein:
“Without prejudice to the provisions of Articles
11(1)(ii), 11bis(1)(i) and (ii), 11ter(1)(ii), 14(1)(ii) and 14bis(1) of
the Berne Convention, authors of literary and artistic works shall enjoy
the exclusive right of authorizing any communication to the public of their
works, by wire or wireless means, including the making available to the
public of their works in such a way that members of the public may access
these works from a place and at a time individually chosen by them.”
Der Begriff “Right of Communication to the Public”
bedeutet, der Öffentlichkeit ein Werk durch andere Mittel oder Vorgänge
zugänglich zu machen als durch die Verbreitung von körperlichen
Kopien. Die benützte Technologie kann analog oder digital sein, die
Übermittlung kann durch elektromagnetische Wellen oder durch gerichtete
optische Strahlen geschehen. [378]
Von Bedeutung ist der Satz “members of the public may access these
works from a place and at a time individually chosen by them.” [379]
Damit wurde klargestellt, daß es sich bei diesem Recht nicht nur um
Sendungen von festgelegten Programmen handelt und daß die Übertragung
zu einer Öffentlichkeit erfolgt, die nicht dort anwesend ist, wo die
“communication” ihren Ursprung hat. Die von Dittrich [380]
zitierten Konferenzunterlagen führen unter Bemerkung 10.14 den Begriff
“communication” noch näher aus: “ Das Wort “any”
vor “communication to the public” betont die Breite des Begriffs.
“Communication” bedeutet die Übertragung zu einer Öffentlichkeit,
die nicht dort anwesend ist, wo die “communication” ihren Ursprung
hat. “Communication” eines Werkes kann eine Serie von Übermittlungsakten
und eine zeitweilige Speicherung einschließen, wenn eine solche Speicherung
notwendig ist, um die Übermittlung vornehmen zu können; wird das
gespeicherte Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so bedeutet
dieses Zugänglichmachen einen weiteren Akt einer “communication”,
der die Zustimmung erfordert, wobei die Speicherung selbst vom Vervielfältigungsrecht
abgedeckt wird.”
In Bemerkung 10.10 der Konferenzunterlagen (Seite 44)
[381] wird
ausgeführt, daß es urheberrechtlich relevant sei, den Zugang
zu den Werken zu ermöglichen. Unwesentlich hingegen ist der Umfang
des Angebots, die Übermittlungsverbindungen, die Möglichkeit für
den Transport und das Ausfindigmachen der Signale. Es ist ferner unwesentlich,
ob Kopien für den Benutzer verfügbar sind oder ob das Werk ihm
lediglich wahrnehmbar und damit benutzbar gemacht wird. Eines der entscheidenden
rechtspolitischen Ziele des zweiten Teils von Art 10 (die Bezeichnung Art
10 bezieht sich auf die Entwurfsfassung und entspricht dem endgültigen
Art 8, Anmerkung des Autors) ist es klarzustellen, daß interaktive
On-demand-Dienste darunter fallen. Eine Erschöpfung des Rechts der
“communication to the public” gibt es nicht.
Diese erstmals in dieser Klarheit formulierte Bestimmung
ist hauptsächlich auf Online-Nutzungen zugeschnitten und gewährt
ein weitgefaßtes Wiedergaberecht. [382]
Die Gültigkeitsdauer des Schutzes von Lichtbildern
wurde von 25 auf 50 Jahre angehoben.
Der WIPO Performance and Phonograms Treaty [383]
(WPPT) bezieht sich auf die Rechte von “Performers”, wie Musiker,
Sänger, Tänzer, Schauspieler oder andere, die eine vergleichbare
öffentliche Aufführung bieten und die Tonaufzeichnung einer derartigen
Performance, ausgenommen solche Tonaufzeichnungen, die Teil eines cinematografischen
Werkes sind. Der Art 4 [384]
WPPT gewährt einen, auf die “in diesem Vertrag besonders gewährten
Rechte” beschränkten, Inländergrundsatz. Die Anwendung der
Mindestrechte nach RBÜ ergibt sich aus einer gemeinsamen Erklärung
zu Art 1 Abs 2 WPPT [385],
das Formalitätenverbot aus Art 20 WPPT [386].
Der Artikel 5 [387]
des WPPT legt erstmals in einem internationalen Vertrag “Moral Rights
of Performers”, also Persönlichkeitsrechte der darstellenden
Künstler, fest. Diese neu festgelegten Rechte entsprechen im wesentlichen
den Vorschriften über den Schutz geistiger Interessen der Urheber nach
dem österreichischen Urheberrechtsgesetz (§ 19-21 UrhG), beziehen
sich aber auf Verwertungsberechtigte. Deren Persönlichkeitsrechte (§
68 UrhG) sind im österreichischen Recht aber nicht soweit ausgeprägt
wie die der Urheber. Diesbezüglich ist also jedenfalls Anpassungsbedarf
festzustellen.
Artikel 6 [388]
regelt die wirtschaftlichen Rechte der ausübenden Künstler. Ihnen
steht das exklusive Recht zu, ihre nicht verkörperten Aufführungen
zu senden oder, entsprechend dem Art 8 WCT “communication to the public”
[389], der
Öffentlichkeit mitzuteilen und ihre Aufführungen zu verkörpern.
Die Art 7 [390]
und 11 [391]
sehen ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht der ausübenden
Künstler und Tonträgerhersteller vor und gehen über die Bestimmungen
der Rom-Konvention und des TRIPS-Abkommen hinaus. Es war auch vorgesehen,
eine Klarstellung bezüglich elektronischer Vervielfältigungen
in den Vertragstext aufzunehmen. Darüber konnte allerdings keine Einigung
gefunden werden, so daß lediglich eine gemeinsame Erklärung vor
Schluß der Konferenz angenommen werden konnte. Ihr zufolge sind Art.
9 RBÜ bzw. Art. 7 und 11 in Verbindung mit Art 16 [392]
WPPT auch im digitalen Kontext vollständig anwendbar und stellt die
Speicherung in digitaler Form in einem elektronischen Medium eine Vervielfältigung
dar. [393]
In Art 15 [394]
wird ein Vergütungsanspruch für ausübende Künstler und
Tonträgerhersteller fixiert, der sowohl für direkte als auch indirekte
Nutzung des Werks gilt. Dieser Anspruch knüpft an den Gebrauch von
“Phonograms”, die aus kommerziellen Gründen hergestellt
werden, an, wobei Abs 4 des Art 15 festlegt, daß auch der Online-Abruf
solcher Tonträger den Anspruch begründet.
Problematisch an den Absichten der WIPO dürfte
sich vor allem die Umsetzung in das nationale Recht gestalten. Der Vorgang
der Ratifikation ist nur sehr schleppend bis gar nicht in Gang gekommen.
So trägt der WCT zwar die Unterschrift von 32 Staaten, ratifiziert
wurden sie aber erst von einem Staat der Welt. [395]
In den USA wurde der Ratifikationsantrag von dem Vorsitzenden des Justizausschusses
Orrin Hatch in den Senat gebracht. Was anfangs als Routinevorgang geplant
war, entfachte einen Meinungsstreit in der US Urheberrechtsindustrie, der
die Ratifikation bis 1998 verzögern könnte [396].
Abzuwarten bleibt, wie diese internationalen Verträge
in jeweils nationale Gesetze eingehen werden. Die Verträge der WIPO
sind ja zunächst nur als Rahmenerklärungen zu sehen und lassen
den einzelnen Staaten einen gewissen Freiraum, in welcher Form sie dann
tatsächlich diese Absichtserklärung in national gültige Gesetze
überführen. Für den Bereich der Europäischen Union hat
die Kommission bereits einen Entwurf für eine Richtlinie betreffend
die Harmonisierung von Urheberrechtsbestimmungen in der Informationsgesellschaft
vorgelegt, der die Mitgliedsstaaten verpflichten wird, die wesentlichen
Inhalte der beiden WIPO-Verträge umzusetzen. [397]
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