Mag. René Tritscher,
E-Mail: Rene.Tritscher@wko.at
Wien, 15.11.2000
Konsultation über Internet: Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde vom BMVIT am 28. Juni 2000 der Entwurf für eine große TKG Novelle präsentiert und die Öffentlichkeit über Internet zur Meinungsäußerung bis 31.10.2000 eingeladen. [1]
Dieser Entwurf sollte bereits am 5.12.2000 im Ministerrat behandelt werden, sodass mit einer Verabschiedung der Novelle bereits im Februar gerechnet werden muss. [2] Von einem transparenten Entscheidungsfindungsprozess unter Einbindung der betroffenen Wirtschaftskreise wie im Rahmen des Konsultationsprozesses der EU bei der Erstellung des Reformpakets im Telekommunikationsbereich - kann daher keine Rede sein.
Fehlender Weitblick: Motivation für eine neuerliche TKG Novelle waren offenbar zum Großteil Vorgaben der EU wie das Inkrafttreten der Richtlinie über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität und des Datenschutzgesetzes 2000 [3] , das vor allem die Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie zum Ziel hat. Darüber hinaus sollen die bisher in einem eigenen Bundesgesetz geregelten Wegerechte in das TKG übernommen werden. [4] Diese Zielsetzung zeigt sehr deutlich, dass zwar - durch eine Vielzahl von detaillierten Bestimmungen - für zahlreiche Detailprobleme Lösungen angestrebt werden, für die tatsächlich bestehenden und dringend regelungsbedürftigen Schwachstellen der rechtlichen Rahmenbedingungen im Telekommunikationssektor jedoch kein Lösungskonzept vorgeschlagen wird.
Zeitpunkt (Abstimmung mit KOMMAUSTRIA und dem Reformpaket der EU): Zur Zeit sind - sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene Änderungen des Telekommunikationsrechtes in Diskussion bzw. liegen auch schon entsprechende Richtlinienvorschläge der Kommission und Gesetzesentwürfe auf nationaler Ebene vor. Der Entwurf zur TKG Novelle berücksichtigt jedoch weder den Entwurf eines Bundesgesetzes zur Schaffung einer unabhängigen Medienbehörde (KOMMAUSTRIA) [5] , noch die Richtlinienvorschläge der Kommission zur Neuordnung des europäischen Rechtsrahmens im Telekommunikationsbereich [6] . Bei einer Beschlussfassung des Entwurfes in der vorliegenden Fassung wären daher in den nächsten Jahren bereits neuerlich Novellen des TKG notwendig.
Die Vorschläge der Kommission werden zum Teil bereits mit 1.1.2001 in Kraft treten bzw. im Sommer 2001 formell verabschiedet werden. Aus diesem Grund sollten auch Regelungen, die mit den Richtlinienvorschlägen im Widerspruch stehen könnten, tunlichst vermieden werden. [7] Vorbild könnte die Vorgangsweise des Gesetzgebers im Rahmen der Verabschiedung des österreichischen Signaturgesetzes (SigG) sein, das bereits vor der entsprechenden Richtlinie der EU unter weitestgehender Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben in Österreich noch vor allen anderen europäischen Mitgliedstaaten erlassen wurde und nach der Verabschiedung der EU-Richtlinie lediglich eine Anpassungsnovelle zum SigG notwendig gemacht hat.
Fehlende Systematik in der Rechtstechnik: Im Sinn einer erhöhten Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit ist die Integration telekommunikationsspezifischer Materiengesetze, wie dem Telekommunikationswegegesetz (TWG), in das TKG zu begrüßen. Dieser sinnvollen Integration steht jedoch an anderer Stelle die Ausgliederung anderer Materiengesetze, wie beispielsweise dem Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) gegenüber, was wiederum zu Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung führt.
Unklare Begriffsdefinitionen: Durch die Verwendung zahlreicher unklarer und teilweise widersprüchlicher Begriffe und Definitionen werden neue Fragen aufgeworfen, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde. Grund hierfür ist die teilweise wortgleiche Übernahme von Bestimmungen aus den Richtlinienvorschlägen bzw. nationalen Materiengesetzen und die unsystematische Verwendung neuer Begriffe, wie beispielsweise "Dienste der Informationsgesellschaft" und "konvergente Dienste. Ältere Begriffe, wie beispielsweise "PTA" oder "Bundesminister für Verkehr", die einer Anpassung bedürfen, bleiben hingegen unverändert.
Problematisch ist vor allem, dass unklar bleibt, welche Dienstleistungen nun tatsächlich unter Dienste der Informationsgesellschaft fallen. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Begriffe elektronischer Kommunikationsdienst im Sinne der Richtlinienvorschläge und dem Begriff Dienste der Informationsgesellschaft. Hier erscheint eine rasche Abstimmung dieser Definitionen erforderlich. In diesem Zusammenhang wäre es auch angebracht, den Begriff konvergenter Dienst ausdrücklich im TKG zu definieren.
Regelungslücken: Für eine Reihe von bestehenden und dringend regelungsbedürftigen Schwachstellen der rechtlichen Rahmenbedingungen im Telekommunikationssektor sieht der Entwurf kein Lösungskonzept vor. Das betrifft insbesondere die folgenden Punkte:
1. Problem der überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer (fehlende Berufungsinstanz): Zur Zeit ist die Situation im Zusammenhang mit Verfahren im Telekommunikationsbereich für die betroffenen Unternehmen äußerst unbefriedigend. Das betrifft beispielsweise die Entscheidungsfrist der Regulierungsbehörde für die Anordnung der Zusammenschaltungsbedingungen [8] . In der Praxis wird diese Frist jedoch in den seltensten Fällen eingehalten.
Diese Situation verschärft sich in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH), wo die durchschnittliche Verfahrensdauer zur Zeit mindestens 2 Jahre (!) beträgt. Die fehlende Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde gegen Entscheidungen der Telekom-Control-Kommission bei einer übergeordneten Instanz, die auch imstande ist, innerhalb einer angemessenen Frist eine Entscheidung zu treffen ist gerade für eine schnellebige und volkswirtschaftlich bedeutsame Branche wie jene der Telekommunikation unzumutbar. Eine Reform zur Verkürzung der Verfahrensdauer auf maximal 6 Monate auch bei Einschaltung des VwGH erscheint unerlässlich, um einerseits der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Branche und andererseits auch ihrer Schnellebigkeit Rechnung zu tragen. Nur dadurch kann die Durchsetzbarkeit von Entscheiden der Regulierungsbehörde erhöht und die Rechtssicherheit für die Unternehmen gewährleistet werden. [9]
2. Versendung von elektronischer Post (Spamming): § 101 TKG letzter Satz erklärt die Versendung von elektronischer Post zu Werbezwecken nur im Fall der vorherigen Zustimmung des Empfängers für zulässig. Diese Bestimmung hat sich seit ihrem Inkrafttreten für die Wirtschaft als äußerst problematisch erwiesen.
Zum einen besteht Rechtsunsicherheit darüber, was mit Begriffen wie Massensendung oder zu Werbezwecken tatsächlich gemeint ist. Darüber hinaus hat sich die Bestimmung als praxisfern erwiesen, was dazu führt, dass § 101 TKG als zusätzliche Einnahmequelle für Rechtsvertreter genutzt wird und Unternehmer immer häufiger mit Klageforderungen konfrontiert sind. Dieser Zustand hält jedoch zur Zeit vor allem kleine und mittlere Unternehmen davon ab, elektronische Medien zu nutzen.
Werbung durch elektronische Post soll natürlich nicht zu einer Belästigung von Verbrauchern führen. Es darf Unternehmen aber nicht per se die Möglichkeit genommen werden, an ausgesuchte andere Unternehmer elektronische Angebote zu übermitteln.
Aus diesem Grund sollte eine Trennung der Bereiche Business to Business und Business to Consumer überlegt werden, wonach die Versendung elektronischer Post zu Werbezwecken an Verbraucher nach wie vor von der Zustimmung des Empfängers abhängig ist (opt-in), die Versendung an andere Unternehmer jedoch nur dann unzulässig sein soll, wenn sich diese zuvor in eine Art elektronische Robinson-Liste (opt-out) eingetragen haben. Eine derartige Robinson-Liste besteht bereits jetzt für konventionelle Werbung. [10]
3. Telefonielastigkeit des TKG: Das TKG (wie auch davor das Fernmeldegesetz) orientiert sich - aus historischen Gründen - an der Sprachtelefonie. In Zeiten des E-Commerce und M-Commerce erscheint jedoch eine Anpassung des TKG an die neuen Herausforderungen des elektronischen Zeitalters erforderlich. [11] Im Interesse der Rechtssicherheit der Unternehmen und des Vertrauens der Öffentlichkeit in die rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Commerce sollten jedoch entsprechende Klarstellungen - wie sie vergleichsweise im deutschen Teledienst-Datenschutzgesetz erfolgt sind vorgenommen werden.
Der Gesetzgeber sollte auch eine eindeutige Entscheidung treffen, in welcher Form die europarechtlichen Vorgaben betreffend die Haftung von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft umgesetzt werden. Prinzipiell erscheinen zwei Varianten möglich. Einerseits durch eine Ergänzung der - bereits jetzt - vereinzelt im TKG vorhandenen Bestimmungen zur Providerhaftung, andererseits im Wege der Schaffung eines eigenen Onlinedienste-Gesetzes. Der Entwurf lässt eine solche grundsätzliche Weichenstellung vermissen, da zumindest hinsichtlich der Haftung von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft in § 19b eine wortgleiche Übernahme der Bestimmungen der E-Commerce-Richtlinie vorgenommen wird. Im Hinblick auf die Diskussionen zur Verabschiedung eines eigenen Onlinedienste-Gesetzes erscheint daher eine Koordination der beteiligten Ministerien unter Einbindung der Wirtschaft unbedingt erforderlich.
4. einfachere Wegerechtsverfahren: Die Wegerechte bedürfen einer einfacheren Geltendmachung im Wege vereinfachter Verfahren. In der Praxis kommt es bei der Nutzung von öffentlichem Gut im Rahmen des Errichtung von Telekommunikationsleitungen zu großen Problemen. [12] Die Inanspruchnahme von öffentlichem Wassergut ist - aufgrund komplexer und langwieriger Bewilligungsverfahren - sehr schwierig und kostenintensiv. Deshalb erscheint im Interesse der Konzessionsinhaber eine Einbeziehung des Wassergutes in die wegerechtlichen Bestimmungen über öffentliches Gut erforderlich.
Darüber hinaus besteht die Problematik, dass die Gebietskörperschaften bei der Errichtung von Telekommunikationsleitungen von den Leitungsberechtigten hohe Abgaben fordern. Da eine Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Telekommunikationsdienstleistungen im Interesse der Gebietskörperschaften gelegen sein muss, erscheint eine Befreiung der Telekommunikationslinien von Abgaben unerlässlich.
5. Kosten für Überwachungseinrichtungen (§ 89 TKG): Das TKG 1997 sah für Netzbetreiber die Verpflichtung zur Bereitstellung von Einrichtungen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs ohne Ersatz der dafür aufgelaufenen Kosten vor. Diese sachlich ungerechtfertigte Verpflichtung führt bei den Netzbetreibern zu hohen Kosten. Eine Klarstellung des § 89 erscheint im Sinne der Rechtssicherheit und Begrenzung der Kosten für die Netzbetreiber notwendig.
Fazit: Novelle ja, aber dann ordentlich: Eine Novellierung des TKG erscheint - aufgrund der vielfältigen Probleme, die das TKG in der derzeitigen Fassung aufwirft prinzipiell durchaus sinnvoll. Allerdings sollten zum jetzigen Zeitpunkt die Regelungsvorhaben im Telekom-Bereich auf nationaler (Begutachtungsentwurf betreffend das KOMMAUSTRIA-Gesetz) und internationaler (Verabschiedung des EU-Richtlinienpaketes) Ebene mit dem vorliegenden Entwurf abgestimmt werden, da ansonsten in Kürze wiederum Novellen des TKG notwendig wären.
Einzelne materiell-rechtliche Inhalte des gegenständlichen Entwurfes sind, wie auch zahlreiche Maßnahmen der Verwaltungsvereinfachung (Integration des TWG in das TKG), zwar durchaus regelungsbedürftig, das Konsultationspapier in der derzeitigen Form erscheint jedoch insgesamt nicht geeignet, die dringlichen Probleme der Wirtschaft im Telekommunikationsbereich zu lösen.
Aufgrund der Einfügung des TWG und der Streichung bzw. Hinzufügung einzelner Bestimmungen im Rahmen der jüngsten Novellierungen des TKG weist das Gesetz einen hohen Grad an Unübersichtlichkeit auf. Im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit und Anwendbarkeit sollte daher - nach Einsetzung der neuen Regulierungsbehörde im Zusammenhang mit der Verabschiedung des KOMMAUSTRIA-Gesetzes und nach der Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht - eine gänzliche Überarbeitung und anschließende Wiederverlautbarung des TKG vorgenommen werden.