UVS Steiermark am 29. März 2002, Bescheid Geschäftszahl 30.2-153/2001, Stichworte: SMS-Nachricht, E-Mail Werbung, grobe Belästigung, §75 Abs1 Z2 TKG, §101 TKG

Rechtssatz:
Eine unverlangte SMS-Nachricht mit dem Inhalt: "Firma P. ... Sie haben gewonnen. Rufen Sie uns unter der Telefonnummer ... an. Wir gratulieren!" stellt nicht nur eine unzulässige Zusendung einer elektronischen Post zu Werbezwecken ohne vorherige Zustimmung des Empfängers dar (Übertretung nach § 101 TKG), sondern auch eine grobe Belästigung des betreffenden Benützers (Übertretung nach § 75 Abs 1 Z 2 TKG; ein Betrug nach § 146 StGB liegt nicht vor, wenn die erhöhten Telefongebühren bekanntgegeben und die Gewinne auf Verlangen ausbezahlt werden). So handelt es sich um eine elektronische Post "zu Werbezwecken" im weiteren Sinne, da diese SMS-Nachricht dazu dient, einen erstmaligen Kontakt zu einem potentiellen Kunden und Geschäftspartner herzustellen, der beim Telefongespräch den Namen des an einem Geschäftsabschluss interessierten Unternehmers erfährt und auf angebotene Leistungen bzw Gewinne aufmerksam gemacht wird. Weiters ist die damit verbundene Belästigung des Benützers als "grob" einzustufen, da der Adressat der SMS-Nachricht wegen der Ungewissheit über den tatsächlichen Inhalt der Nachricht (des Gewinnes) meist gewillt und genötigt sein wird, sich auf einen Anruf bzw auf ein Gespräch einzulassen, bevor er sich zur Fortsetzung oder Abbrechung des Gespräches entscheiden kann. Hiebei wird der Anrufer mit Ausführungen und Mitteilungen eines geschulten Gesprächsteilnehmers konfrontiert, ohne eine ausreichende Überlegungszeit zu haben, weshalb der damit zwangsläufig verbundene Überraschungseffekt zu einer nicht gewollten Zustimmung zu Kontakten führen kann. Schließlich stellt die betreffende Telefonnummer eine dem Unternehmen zugeordnete Mehrwertnummer dar, weshalb dem Anrufer auch höhere Gesprächsgebühren verrechnet werden. Dies alles wird mit solcher SMS-Nachrichten bezweckt, weshalb die damit verbundene Belästigung wesentlich höher ist als jene von Werbezusendungen, die nicht unkontrollierbar in die Privatsphäre des Anschlussinhabers eindringen.

Volltext:
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Ruiner über die Berufung des Herrn M P, vertreten durch Dr. R, Dr. S, Rechtsanwälte in V, gegen den Bescheid des Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten vom 2.11.2001, GZ: 102018-JD/01, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen, die verhängten Strafen jedoch gemäß § 19 VStG mit € 109,01 (S 1.500,--) (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) sowie € 254,35 (S 3.500,--) (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bemessen.

Hiedurch vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auf € 36,34 (S 500,--), welcher Betrag binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten ist.

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid wurden dem Berufungswerber Übertretungen der § 75 Abs 1 Z 2 und 101 TKG BGBl. 100/1997 idF. BGBl. 26/2000 zur Last gelegt und hiefür Geldstrafen in Höhe von S 2.000,-- (2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie S 4.000,-- (4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von S 600,-- vorgeschrieben.

In der rechtzeitigen Berufung brachte der Berufungswerber im Wesentlichen vor, dass für ihn nicht erkennbar gewesen sei, in wie weit das Versenden einer SMS- Nachricht eine grobe Belästigung des Empfängers darstelle. Auch wenn sich der Empfänger subjektiv belästigt fühle, hätte die von der belangten Behörde vorgenommene Gesetzesauslegung unweigerlich eine Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung zur Folge. Die Verständigung von einem Gewinn sei objektiv nicht als grobe Belästigung im Sinne des § 75 Abs 1 Z 2 TKG anzusehen. Hätte die belangte Behörde hinterfragt, um welchen Gewinn es sich dabei handle, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass sämtliche Empfänger der gegenständlichen SMS- Nachricht tatsächlich einen Gewinn erhalten würden. Unrichtig sei auch die Feststellung der belangten Behörde, dass die gegenständliche SMS-Nachricht zu Werbezwecken versendet werde, da unter dem Begriff Werbung ganz allgemein eine Produkt- oder Leistungsinformation zu verstehen sei, wobei eine noch so weite Auslegung des Begriffes Werbung eine derartige versendete SMS-Nachricht nicht als Werbung anzusehen sei. Er preise in seiner SMS-Nachricht keinerlei Güter oder Dienstleistungen an, sondern werden die jeweiligen Empfänger lediglich von einem Gewinn verständigt. Es wurde daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben. Auf Grund des durchgeführten Berufungsverfahrens wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:

Der Berufungswerber betreibt ein Call-Center unter der Bezeichnung "Call-Center M P", mit Standort T, und zwar zum Zwecke der Durchführung von Gewinnspielen, die Versendung von diesbezüglichen SMS-Nachrichten und die Kontaktnahme zu Kunden über dem Unternehmen zugeordnete Mehrwertnummern und in weiterer Folge die Versendung von Gewinnen. Bei diesen Gewinnen handelt es sich im Wesentlichen um kleine Manikürsets, Rasiersets und dergleichen im Wert von etwa S 100,--. Die Telefonnummern, an welche die SMS-Nachrichten gesendet werden, werden nach dem Zufallsprinzip aus dem Telefonbuch gewählt, wobei dies etwa 5.000,-- pro Monat sind. Bei Anruf eines Teilnehmers auf Grund der an diesen versandten SMS-Nachricht, mit welcher dem Teilnehmer zu seinem Gewinn gratuliert und dieser gleichzeitig aufgefordert wird, eine bestimmte Telefonnummer anzurufen - es handelte sich hiebei um eine sogenannte Mehrwertnummer - wird diesem vorerst mitgeteilt, dass das Gespräch S 50,-- pro Minute kostet, in der Folge werden die Daten des Anrufers überprüft und dem Teilnehmer mitgeteilt, welchen Preis er gewonnen hat. Sollte dem Teilnehmer das Gespräch zu teuer erscheinen, erhält dieser auf Anfrage die E-Mail Adresse des Call-Centers, sowie die Handynummer und hat so die Möglichkeit, den Preis anzufordern. Weiters wird jedem angerufenen Teilnehmer auch die Möglichkeit eröffnet, an einer Monatsverlosung teilzunehmen, bei welcher Gewinne in Form von Fernsehern, Handys und dergleichen in Aussicht gestellt werden. Die Kosten von S 50,-- fallen für den Teilnehmer ab jenem Zeitpunkt an, ab dem diesem auf Grund seines Anrufes mitgeteilt wird, dass sein Anruf den genannten Betrag kostet und erfolgt die Abrechnung der Gesprächskosten sodann im Sekundentakt. Nach Angaben des Berufungswerbers fallen die Kosten von S 50,-- pro Minute, ab etwa 10 Sekunden nach dem erfolgten Anruf an. Von den mittels SMS-Nachricht in obbezeichneter Form benachrichtigten Teilnehmern fordern, nach Angaben des Berufungswerbers, etwa 10 % einen der diesen genannten Gewinne an, welcher in der Folge dem Verständigten zugesandt wird. Ein Nichtreagieren von solcherart verständigten Teilnehmern werde intern vermerkt, desgleichen auch solche Teilnehmer, die auf Grund der ihnen übermittelten SMS anrufen und mitteilen, dass sie keine weiteren derartigen SMS mehr erhalten wollen. Diese Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt sowie die Angaben des Berufungswerbers selbst.

In rechtlicher Hinsicht ist unter Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Nachstehendes auszuführen: Auf Grund der getroffenen Feststellungen geht hervor, dass das vom Berufungswerber betriebene Call-Center durch die Versendung der verfahrensgegenständlichen SMS-Nachrichten auf die Befriedigung eines eigenen Bedürfnisses und die Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel mit der Möglichkeit eines Gewinnes abzielt und durch diese SMS-Nachrichten die möglichen Kunden zu einem Konsum in Form eines Anrufes unter der gebührenpflichtigen Mehrwertnummer veranlasst. Die dem anrufenden Teilnehmer in der Folge verrechneten hohen Telefongebühren sind der Entrichtung eines Entgeltes als Wetteinsatz bei anderen Gewinn- bzw. Glücksspielen gleichzusetzen. Hinsichtlich des Begriffes "Werbung" im Sinne des § 101 TKG ist auszuführen, dass ein zu Werbezwecken erfolgter Anruf dann vorliegt, wenn das Unternehmen den Absatz von Produkten oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen bezweckt. Weiters legt der OGH den Begriff "zu Werbezwecken" dahingehend aus, dass Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handelsgewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern, bedeutet. Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 101 TKG, nämlich den Schutz der Privatsphäre des Angerufenen, geht der OGH von einem Werbebegriff aus, wonach im weiteren Sinne Werbung dazu dient, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff zu unterstellen sind.

Aus der Begründung der Entscheidung des OGH vom 18.5.1999, 4 OB 113/99t geht unter anderem hervor, dass den Gesetzesmaterien zu § 101 TKG in der Fassung BGBl. 1997/100 zu entnehmen ist, dass sich diese Bestimmung an den Zielsetzungen der geplanten RL des EP und des Rates vom 15.12.1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation orientiert. Die TK-Datenschutzrichtlinie detailliert und ergänzt ihrerseits die Richtlinie des EP und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr im Hinblick auf die besonderen Zwecke im Bereich der Telekommunikation. Beide Richtlinien führen als vorrangiges Ziel den Schutz der Grundrechte und Freiheiten natürlicher Personen, insbesondere ihr Recht auf Achtung der Privatsphäre an. Art 12 Abs 2 der Richtlinie 97/66 EG trägt somit den Mitgliedsstaaten überdies auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicher zu stellen, dass unerbetene Anrufe zum Zweck des Direktmarketings, die entweder ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer erfolgen oder an Teilnehmer gerichtet sind, die keine derartigen Anrufe erhalten möchten, nicht gestattet sind. Schon vor Inkrafttreten des mit diesen Richtlinien in Einklang stehenden § 101 TKG hat der OGH in Überstimmung mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung, Werbung durch unerbetene telefonische Anrufe dann als wettbewerbswidrig beurteilt, wenn der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis dazu erteilt hatte. Weiters wird darin ausgeführt, dass derartige Werbungen das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene noch tragbare Maß der Belästigung überschreite und unzulässig in die Individualsphäre des Anschlussinhabers eingreift. Die Auslegung des Begriffes "Anruf zu Werbezwecken" gemäß § 101 TKG im Sinne der zitierten Entscheidungen des OGH sowie jener vom 24.10.2000 ist - nicht zuletzt im Hinblick auf den angestrebten Zweck - auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, weil die vom Berufungswerber versendete SMS-Nachricht dazu dient, einen erstmaligen Kontakt zu einem potentiellen Kunden herzustellen, um diesen als Geschäftspartner gewinnen zu können.

Bei dem auf Grund der SMS-Nachricht mit dem Versender der SMS geführten ersten Gespräch erfährt der Anrufer nicht nur den Namen des Unternehmers, der mit ihm in Kontakt treten möchte, um letztlich zu einem Abschluss eines Geschäftes zu kommen, er wird auch auf die angebotenen Leistungen bzw. Gewinne aufmerksam gemacht und sein allfälliges Interesse daran geweckt. Damit dient nach Ansicht der Behörde schon die Versendung von SMS-Nachrichten der gegenständlichen Art, wenn auch Vorzüge der angebotenen Leistungen gegenüber jener anderer noch nicht herausgestellt werden, Zwecken der Werbung im weiteren Sinne. Der auf Grund der SMS-Nachricht veranlasste Anrufer wird nicht zuletzt wegen der Ungewissheit über den tatsächlichen Inhalt der Nachricht meist gewillt oder genötigt sein, sich auf einen Anruf bzw. auf ein Gespräch einzulassen, bevor er sich entscheiden kann, ob er das Gespräch fortsetzen oder abbrechen will. Die damit verbundene Belästigung im Sinne des § 75 TKG ist nach Ansicht der Behörde erheblich höher, als das Einlegen von Werbeschriften oder sonstigen schriftlichen Aufforderungen und dergleichen, da damit ein unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Anschlussinhabers nicht erfolgt. Derjenige der auf Grund der SMS-Nachricht die angegebene Telefonnummer anruft, wobei dieser Anruf meist auch der Disposition des Anrufenden hinsichtlich des Zeitpunktes entzogen ist, muss sich in weiterer Folge mit den Ausführungen und Mitteilungen des diesbezüglich geschulten Gesprächsteilnehmers befassen. Er hat auch keine ausreichende Überlegungszeit, sodass der damit zwangsläufig verbundene Überraschungseffekt, nach Ansicht der Behörden, nicht selten auch zu einer Überrumpelung des Anrufers, sowie zu einer nicht gewollten Zustimmung zu weiteren Kontakten führen kann und auch führt, womit der Zweck der SMS-Nachricht letztlich erfüllt ist.

Auf Grund dieser Erwägungen stellt die Vorgangsweise des Berufungswerbers auch eine missbräuchliche Verwendung von Funkanlagen in Form einer Belästigung anderer Benützer im Sinne des § 75 Abs 1 Z 2 TKG dar. Unter Hinweis auf die zitierten Entscheidungen des OGH ist ein unerbetenes Werbetelefonat bzw. Fax - im vorliegenden Fall eine unerbetene SMS-Nachricht obbezeichneten Inhaltes - jedenfalls als Störung bzw. Belästigung zu werten, wobei der Umstand, dass diese unter Umständen sogar dezent und höflich durchgeführt wird, unerheblich ist. Im Übrigen wird auch diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Derartige - ohne ausdrückliche Einwilligung - versendete SMS-Nachrichten zu Werbezwecken überschreiten das damit verbundene noch tragbare Maß der Belästigung und greifen unzulässig in die Individualsphäre des Anschlussinhabers ein. Auf Grund dieser Erwägungen und der getroffenen Feststellungen sind die dem Berufungswerber zur Last gelegten Taten in subjektiver und objektiver Richtung als erwiesen anzusehen und von diesem zu verantworten. Hinsichtlich der Strafbemessung ist unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid auszuführen, dass auf Grund des Nichtvorliegens von Erschwerungsgründen, als solche sind ausschließlich rechtkräftig verhängte Strafen zu werten, die jeweils verhängten Geldstrafen entsprechend herabgesetzt werden mussten. Die nunmehr verhängten Strafen entsprechen den Kriterien des § 19 VStG und sind im Hinblick auf die gesetzliche Strafobergrenze als schuldangemessen und gerechtfertigt anzusehen. Auf Grund all dieser Erwägungen war daher, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden.

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