OGH 12. September 2001 Geschäftszahl 4Ob179/01d Stichworte: Eurobike, Urheberrechtsschutz von Amateurfotos, eigene geistige Schöpfung, UrhG §3 Abs2; RL 93/98/EWG - Schutzdauerrichtlinie Art6

Rechtssatz Lichtbilder sind als Lichtbildwerke zu beurteilen, sofern nur die eingesetzten Gestaltungsmittel eine Unterscheidbarkeit bewirken. Dieses Kriterium der Unterscheidbarkeit ist immer schon dann erfüllt, wenn man sagen kann, ein anderer Fotograf hätte das Lichtbild möglicherweise anders gestaltet.

Rechtssatz Nach Auffassung des erkennenden Senats ist seit Wirksamwerden der Schutzdauer-RL eine Fotografie dann als Lichtbildwerk iSd § 3 Abs 2 UrhG zu beurteilen, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers ist, ohne dass es eines besonderen Maßes an Originalität bedürfte. Entscheidend ist, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit auf Grund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (Motiv, Blickwinkel, Beleuchtung uvm) zum Ausdruck kommt. Eine solche Gestaltungsfreiheit besteht jedenfalls nicht nur für professionelle Fotografen bei Arbeiten mit dem Anspruch auf hohes künstlerisches Niveau, sondern auch für die Masse der Amateurfotografen, die alltägliche Szenen in Form von Landschaftsfotos, Personenfotos oder Urlaubsfotos festhalten.

Volltext:

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ute F*****, vertreten durch Höhne & In der Maur Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Kras, Rechtsanwalt in Obertrum, wegen Unterlassung, Beseitigung, angemessenen Entgelts, Schadenersatzes und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 400.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 6. Juni 2001, GZ 3 R 103/01i-9, womit der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 12. April 2001, GZ 9 Cg 52/01z-5, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit das Rekursgericht den abweisenden Beschluss des Erstgerichtes bestätigt hat, aufgehoben. Dem Erstgericht wird auch in diesem Umfang (Punkte 3 und 4 des Sicherungsbegehrens) eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Die Beklagte veranstaltet Radwandertouren in Europa, die sie in einem jährlich erscheinenden Katalog mit dem Titel "EUROBIKE" bewirbt; sie gibt auch das Radwanderbuch "Etschradweg" heraus. Die Klägerin ist Journalistin und stellte der Beklagten anlässlich der Erstellung des Katalogs "EUROBIKE 1995" von ihr hergestellte Lichtbilder als Diapositive, die mit ihren Initialen bezeichnet waren, zur Verfügung. Die Beklagte verwendete drei dieser Lichtbilder auch in ihren Katalogen "EUROBIKE 1999", "EUROBIKE 2000" und "EUROBIKE 2001" sowie im Radwanderbuch "Etschradweg". Es handelt sich um Lichtbilder von Landschaftsaufnahmen mit Radfahrern mit den Motiven "Campanile von Graun im Reschensee", "Fahrradfahrer in Südtiroler Apfelplantage" und "Reiseleiter Toni mit Fahrradfahrergruppe", die wie folgt aussehen:

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen,

1) von der Klägerin geschaffene Lichtbildwerke ohne die Zustimmung des Berechtigten oder eine entsprechende gesetzliche Lizenz zu vervielfältigen;

2) von der Klägerin geschaffene Lichtbildwerke ohne die Zustimmung des Berechtigten oder eine entsprechende gesetzliche Lizenz zu verbreiten;

3) Lichtbildwerke der Klägerin ohne die von der Urheberin bestimmte Urheberbezeichnung zu nutzen;

4) an Lichtbildwerken der Klägerin, an ihren Titeln oder Urheberbezeichnungen Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen vorzunehmen, soweit nicht die Urheberin einwilligt oder das Gesetz die Änderung zulässt.

Die Klägerin habe der Beklagten Lichtbildwerke mit der Bewilligung zum unentgeltlichen einmaligen Abdruck im Katalog "EUROBIKE 1995" übergeben, die von der Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin und ohne diese als Urheberin zu nennen mehrfach und in bearbeiteter Form (seitenverkehrt, ausschnittsweise mit Überblendungen an den Rändern oder mit eingeblendeten Schriftzügen) genutzt worden seien. Dies habe die Klägerin erstmals Ende 1999 erfahren. Die Beklagte habe die Urheberrechte der Klägerin auf Vervielfältigung, Verbreitung, Namensnennung und Herstellerbezeichnung sowie auf Werkschutz verletzt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Klägerin habe der Beklagten verschiedene Lichtbilder als Dank für die Einladung zu einer Radtour überlassen, ohne sie in deren Nutzungsmöglichkeit in irgendeiner Weise einzuschränken. Die Klägerin habe jährlich ab 1995 die Kataloge der Beklagten erhalten, aber erst Ende 1999 ihr angeblich zustehende urheberrechtliche Ansprüche geltend gemacht, die folglich verjährt seien.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es traf nach Einsicht in die vorgelegten Urkunden die negative Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass zwischen den Streitteilen der Umfang, die Art, die Dauer und der Ort der Verwendung der Lichtbilder der Klägerin in irgendeiner Form geregelt oder beschränkt worden seien. In rechtlicher Hinsicht beurteilte es die Lichtbilder nicht als Lichtbildwerke iSd § 3 UrhG, sondern als Lichtbilder iSd §§ 73 ff UrhG; Ansprüche auf Urheberbezeichnung und Werkschutz bestünden daher nicht. Eine Einschränkung der der Beklagten eingeräumten Nutzungsbefugnis sei nicht bescheinigt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, soweit er die Begehren zu den Punkten 3) und 4) abweist, hob ihn im übrigen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei jedem einzelnen Begehren 52.000 S, aber nicht 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Ausspruch zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Art 6 der Richtlinie 93/98/EWG zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (Schutzdauer-RL) fehle. Das Erstgericht müsse sein Bescheinigungsverfahren durch Vernehmung der von den Parteien angebotenen paraten und als Bescheinigungsmittel an sich tauglichen Auskunftspersonen zur Frage der Vereinbarung über die Nutzung der Lichtbilder ergänzen. Zutreffend sei aber die Beurteilung, es handle sich um keine Lichtbildwerke iSd § 3 UrhG. Zwar würde gem Art 6 Schutzdauer-RL im Sinne eines reduzierten Originalitätsbegriffs eine Fotografie schon dann als Werk geschützt, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sei; die Ausdehnung des Schutzbereichs des Urheberrechts könne aber nicht so weit gehen, dass nunmehr jede Alltagsaufnahme ein Lichtbildwerk sei. Die Lichtbilder der Klägerin seien alltägliche Aufnahmen, die herkömmlichen Aufnahmen von Radfahrern in der Natur entsprächen, ohne dass in ihnen ein gewisses Maß an Originalität zum Ausdruck komme. Die Klägerin könne sich daher nicht auf Verstöße gegen das Recht auf Urheberbezeichnung (§ 20 UrhG) und das Änderungsverbot des § 21 UrhG berufen. Die Beklagte habe auch nicht gegen das Recht auf Anbringung einer Herstellerbezeichnung (§ 74 Abs 3 UrhG) verstoßen, weil ein solches voraussetze, dass der Lichtbildhersteller sein Interesse, genannt zu werden, ausdrücklich bekundet habe. Dieser Voraussetzung werde die Bezeichnung der Diapositive allein mit den Initialen der Klägerin mangels erforderlicher Deutlichkeit nicht gerecht.

Rechtssatz

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Werkqualität von Lichtbildern nach Inkrafttreten von Art 6 Schutzdauer-RL fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, nach nunmehriger Rechtslage fielen auch schlichte und alltägliche Landschaftsfotografien unter Lichtbildwerke, sofern nur eine Unterscheidbarkeit zu vergleichbaren Werken (etwa in der Wahl des Bildausschnitts, des Standpunkts, der Belichtung uä) vorliege. Die hier strittigen Lichtbilder seien auf Grund ihrer Gestaltung einzigartig, unverwechselbar und nicht alltäglich; ihr Werkcharakter sei zu bejahen.

Dazu ist zu erwägen: Für Lichtbilder besteht in Österreich seit der Urheberrechtsgesetznovelle 1953 (UrhGNov 1953) ein doppeltes Schutzsystem. Einerseits sind Werke der Lichtbildkunst (Lichtbildwerke) gemäß § 3 Abs 2 UrhG als Werke der bildenden Künste geschützt, andererseits genießen einfache Lichtbilder den Leistungsschutz nach den §§ 73 ff UrhG, der im übrigen auch Lichtbildwerken parallel zum urheberrechtlichen Schutz offen steht (Walter in Walter, Europäisches Urheberrecht, Art 6 Schutzdauer-RL Rz 12).

Lichtbildwerke sind eigentümliche geistige Schöpfungen (EB zur UrhGNov 1953, bei Dittrich, Sind Lichtbildwerke gleichzeitig Lichtbilder? ÖBl 1978, 113). Die bisherige Rechtsprechung hat daraus den Schluss gezogen, Lichtbildwerke müssten sich als individuelle eigenartige Leistung vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben; das setze voraus, dass die Persönlichkeit des Werkschaffenden, insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung, zur Geltung komme. Keine Lichtbildwerke seien daher etwa Landschaftsaufnahmen, auf denen (auch) Radfahrer zu sehen seien, wenn sie sich nicht von üblichen Aufnahmen dieser Art unterschieden, also weder die Auswahl des Motivs noch seine Gestaltung noch die Anwendung des fotografischen Verfahrens von individueller Eigenart geprägt sei (ÖBl 1994, 43 - Landschaft mit Radfahrern mwN), Skisportaufnahmen für Werbezwecke, die sich in nichts von herkömmlichen Werbefotos unterschieden und keine besonderen, aus der Person des Herstellers fließende Eigenheiten erkennen ließen (MR 1992, 70 [Walter] = ÖBl 1991, 19 - Werbefoto) oder Fotografien, die - ohne besondere Elemente künstlerischer Gestaltung - historisch bedeutsame Stätten der biblischen Geschichte zeigten und keine schöpferischen Merkmale aufwiesen (MR 1995, 140 [Walter] = ÖBl 1995, 182 - Lebenserkenntnis).

Mit der Richtlinie 93/98/EWG zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (Schutzdauer-RL) wurde gemeinschaftsrechtlich eine partielle Rechtsangleichung (Juranek, Die Richtlinie der Europäischen Union zur Harmonisierung der Schutzfristen im Urheber- und Leistungsschutzrecht 24) im Teilbereich der Schutzfristen und deren Anknüpfungstatbestände herbeigeführt. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis spätestens 1. 7. 1995 umzusetzen. In Österreich erfolgte die Umsetzung mit der am 1. 4. 1996 in Kraft getretenen UrhGNov 1996 (Walter aaO Art 13 Schutzdauer-RL Rz 10). Dabei wurde jedoch die Begriffsbestimmung des Art 6 Schutzdauer-RL, der den Schutz von Fotografien regelt, nicht in das innerstaatliche Recht übernommen, weil nach Auffassung des Gesetzgebers der Werkbegriff nach Art 6 Schutzdauer-RL jenem des § 1 UrhG entspreche, weshalb keine Sonderregelung für Lichtbilder vorzusehen gewesen sei (ErlRV UrhGNov 1996, abgedruckt bei Dittrich, UrhG3 11 f).

Art 6 Schutzdauer-RL lautet: "Fotografien werden gem Art 1 [also urheberrechtlich] geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden. Die Mitgliedstaaten können den Schutz anderer Fotografien vorsehen."

Erwägungsgrund 17 der Richtlinie lautet: "Der Schutz von Fotografien ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Damit die Schutzdauer für fotografische Werke insbesondere bei Werken, die auf Grund ihrer künstlerischen oder professionellen Qualität im Rahmen des Binnenmarkts von Bedeutung sind, ausreichend harmonisiert werden kann, muss der hierfür erforderliche Originalitätsgrad in der vorliegenden Richtlinie festgelegt werden. Im Sinne der Berner Übereinkunft ist ein fotografisches Werk als ein individuelles Werk zu betrachten, wenn es die eigene geistige Schöpfung des Urhebers darstellt, in der seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommt; andere Kriterien wie zB Wert oder Zwecksetzung sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Der Schutz anderer Fotografien kann durch nationale Rechtsvorschriften geregelt werden."

Art 6 Schutzdauer-RL übernimmt den reduzierten Originalitätsbegriff des Art 1 Abs 3 der Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Software-RL). Dieser Originalitätsbegriff ist durch ein geringes Niveau an Gestaltungshöhe gekennzeichnet und ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der britisch-irischen Auffassung, die im Wesentlichen nur voraussetzt, dass ein Werk keine Kopie eines anderen (vorbestehenden) Werks ist, und der grundsätzlich strengeren kontinental-europäischen Auffassung, die eine gewisse Eigenheit des Werks voraussetzt (Walter aaO Art 1 Software-RL Rz 13 f).

Walter (aaO Art 6 Schutzdauer-RL Rz 8) vertritt die Ansicht, für fotografische Werke reiche ein geringes Maß an Originalität aus, wobei die verschiedensten Gestaltungsgesichtspunkte relevant sein könnten, wie Auswahl und Anordnung der Aufnahmeobjekte, Wahl des Standpunkts, des Ausschnitts und der Belichtung oder auch die Nachbearbeitung im Zug der Ausarbeitung oder auch noch am fertigen Lichtbild. Dies folge aus der Parallele zur Software-RL und dem Umstand, das in beiden Fällen ein ergänzender Sonderschutz nicht vorgeschrieben sei, sowie aus Erwägungsgrund 17, der ausdrücklich von der Bedeutung von Lichtbildern im Hinblick auf ihre künstlerische oder auch nur professionelle Qualität spreche und hervorhebe, dass eine besondere Qualität der Aufnahmen nicht erforderlich sei. Ausschlaggebend sei deshalb allein eine Unterscheidbarkeit im urheberrechtlichen Sinn, weshalb bloß für völlig alltägliche Aufnahmen ein urheberrechtlicher Schutz ausscheide.

Fromm/Nordemann (Urheberrecht9 § 2 dUrhG Rz 74; ihm folgend Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, § 3 Rz 7) halten nach Umsetzung der Schutzdauer-RL als Lichtbildwerke alle Fotos für geschützt, die einem bestimmten Fotografen in dem Sinne persönlich zugerechnet werden können, dass sich sagen lässt, ein anderer Fotograf hätte möglicherweise das Foto anders gestaltet, also den Blickwinkel, den Ausschnitt oder die Beleuchtung anders gewählt, einen anderen Geschehensmoment festgehalten, die abgebildeten Personen anders gruppiert usw (zu den einzelnen Gestaltungsmitteln einer Fotografie im Detail siehe Nordemann, Die künstlerische Fotografie als urheberrechtlich geschütztes Werk 135 ff). Nach Fromm/Nordemann (aaO) werde sich das auch für Amateurfotos und Schnappschüsse fast stets feststellen lassen. Für den einfachen Lichtbildschutz verblieben demnach (von Zufallsfotos infolge eines versehentlichen Auslösens der Kamera abgesehen) nur technische Fotos, bei denen jeder Fotograf mit denselben Fähigkeiten und Kenntnissen dasselbe Ergebnis, nämlich eine technisch einwandfreie Wiedergabe, erzielen müsse (also etwa Reproduktionen von Gemälden, Fotos von Maschinen, Fotos für die Verbrecherkartei, kartografische Luftaufnahmen und - im Regelfall - Passbilder aus Fotoautomaten).

Ciresa (aaO Rz 8) hält zur Beurteilung als Lichtbildwerk weiterhin die der Persönlichkeit des Fotografen entstammende Eigenheit für entscheidend, wobei allerdings ein Mindestmaß an Originalität ausreiche, etwa durch eine (beliebige) Auswahl des Blickwinkels, des Ausschnitts oder der Beleuchtung. Die Persönlichkeit des Urhebers müsse nicht mehr durch visuelle Gestaltung und durch gedankliche Bearbeitung im Lichtbildwerk zum Ausdruck kommen, eine visuelle Gestaltung allein reiche schon aus. Auch Amateurfotos und Urlaubs-Schnappschüsse seien als Lichtbildwerke zu beurteilen, weil naturgemäß beliebig viele Möglichkeiten der visuellen Gestaltung eines Fotos bestünden.

Dillenz (Praxiskommentar zum österreichischen Urheberrecht und Verwertungsgesellschaftenrecht, 22) verlangt für den Schutz als Lichtbildwerk Individualität, die aus einzelnen oder einer Kombination von Gestaltungs- elementen (Motivwahl, Beleuchtung, Kamerawinkel uä) bestehen könne. Auch Schnappschüssen werde man aber "künstlerischen Gehalt und Aussage nicht immer absprechen können" (aaO 200 f mit Beispielen).

Nach Loewenheim (in Schricker, Urheberrecht**2 § 2 dUrhG Rz 179; ähnlich auch Rehbinder, Urheberrecht11 Rz 142) erfordere die persönliche geistige Schöpfung iSd Art 6 Schutzdauer-RL, dass Lichtbildwerke von der Individualiät ihres Urhebers geprägt seien, ohne dass es eines besonderen Maßes an schöpferischer Gestaltung bedürfe. Lichtbildwerke müssten damit eine individuelle Betrachtungsweise oder künstlerische Aussage des Fotografen zum Ausdruck bringen, die sie von der lediglich gefälligen Abbildung abhebe. Das könne beispielsweise durch die Wahl des Motivs, eines ungewöhnlichen Bildausschnitts oder durch eine ungewöhnliche Perspektive, durch die Verteilung von Licht und Schatten, die Kontrastgebung, die Bildschärfe, die Wahl des richtigen Moments bei Bewegungsvorgängen oder Porträts, aber auch durch nachträgliche Maßnahmen wie Retuschen, Fotomontagen uä geschehen. Loewenheim verlangt von Lichtbildwerken, dass sie über die gegenständliche Abbildung hinaus eine Stimmung besonders gut einfingen, in eindringlicher Aussagekraft eine Problematik darstellten, den Betrachter zum Nachdenken anregten. Jedenfalls nicht zu den Lichtbildwerken zählt dieser Autor die Masse alltäglicher Bilder, die rein handwerkliche Abbildung des Fotografierten (Gegenstandsfotografie) sowie durchschnittliche Amateurfotos, Urlaubsbilder und dgl.

Platena (Das Lichtbild im Urheberrecht 225 ff) gelangt in einer eingehenden Analyse zum Ergebnis, der Werkcharakter eines Lichtbilds bestimme sich danach, ob eine persönliche geistige Schöpfung im Bereich der Kunst oder Wissenschaft vorliege, wobei eine Gestaltungshöhe im Sinne eines Mindestmaßes an Individualität nach Umsetzung der Schutzdauer-RL nicht erforderlich sei (ebenso BGH, ZUM 2000, 233 - Werbefotos).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist seit Wirksamwerden der Schutzdauer-RL eine Fotografie dann als Lichtbildwerk iSd § 3 Abs 2 UrhG zu beurteilen, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers ist, ohne dass es eines besonderen Maßes an Originalität bedürfte. Entscheidend ist, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit auf Grund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (Motiv, Blickwinkel, Beleuchtung uvm) zum Ausdruck kommt. Eine solche Gestaltungsfreiheit besteht jedenfalls nicht nur für professionelle Fotografen bei Arbeiten mit dem Anspruch auf hohes künstlerisches Niveau, sondern auch für die Masse der Amateurfotografen, die alltägliche Szenen in Form von Landschafts-, Personen- oder Urlaubsfotos festhalten; auch solche Lichtbilder sind - entgegen der Ansicht von Loewenheim - als Lichtbildwerke zu beurteilen, sofern nur die eingesetzten Gestaltungsmittel eine Unterscheidbarkeit bewirken. Dieses Kriterium der Unterscheidbarkeit ist immer schon dann erfüllt, wenn man sagen kann, ein anderer Fotograf hätte das Lichtbild möglicherweise anders gestaltet (Fromm/Nordemann aaO). Die bisherige Rechtsprechung kann deshalb, soweit sie von Lichtbildwerken gefordert hat, diese müssten sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten durch eine besondere gedankliche Bearbeitung abheben, nicht aufrechterhalten werden: Alltägliche, "übliche" Landschafts-, Porträt- oder Werbeaufnahmen sind nach geltender Rechtslage schon dann Lichtbildwerke, wenn in ihnen eine visuelle Gestaltung durch den Fotografen zum Ausdruck kommt, mögen sie sich im Ergebnis auch kaum von ähnlichen Lichtbildern anderer Fotografen unterscheiden.

Bei Beachtung dieser Grundsätze kann dem Rekursgericht nicht beigepflichtet werden, die hier strittigen Lichtbilder der Klägerin seien keine Lichtbildwerke, weil sie herkömmlichen Aufnahmen von Radfahrern in der Natur entsprächen, ohne ein gewisses Maß an Originalität zum Ausdruck zu bringen. Sämtliche hier zu beurteilenden Lichtbilder sind nämlich insoweit das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung der Klägerin, als sie deren ganz persönliche Wahl der Gestaltungselemente (hier etwa in Motiv, Standpunkt und Bildkomposition) zum Ausdruck bringen. Dass andere Fotografen bei der Abbildung derselben Radfahrer in derselben Landschaft möglicherweise zu einem sehr ähnlichen Ergebnis gelangt wären, steht dem Werkcharakter der Lichtbilder der Klägerin noch nicht entgegen, weil ein Mindestmaß an Individualität hiefür nicht gefordert ist.

Der Klägerin steht damit grundsätzlich das Recht zu, dass ihre Lichtbildwerke - sofern sie darauf nicht ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hat (ÖBl 1986, 162 - Weihnachtslieder) - mit der von ihr gewählten Urheberbezeichnung versehen werden (§ 20 Abs 1 UrhG); ihre Lichtbilder fallen auch unter den Schutz des in § 21 UrhG normierten Änderungsverbots. Ob die Beklagte diese Rechte verletzt hat, kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn das Bescheinigungsverfahren im Sinne des Ergänzungsauftrags des Rekursgerichts über Inhalt und Umfang der zwischen den Streitteilen vereinbarten Nutzungsbewilligung durchgeführt worden ist. Bei dieser Sachlage muss auf die im Rechtsmittel weiters aufgeworfene Frage eines Verstoßes gegen § 74 Abs 3 UrhG (Herstellerbezeichnung bei Lichtbildern) nicht mehr eingegangen werden.

Für den Fall der Bejahung von Rechtsverletzungen durch die Beklagte wird dem Sicherungsantrag stattzugeben sein, weil die von der Beklagten gegen das Klagebegehren schon in erster Instanz erhobene Einwendung der Verjährung unberechtigt ist:

Gemäß § 90 Abs 1 UrhG richtet sich die Verjährung der Ansprüche auf angemessenes Entgelt, angemessene Vergütung, Herausgabe des Gewinns und Auskunft nach den Vorschriften für Entschädigungsklagen. Nach § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurden. Wird dieser Rechtssatz auf Vergütungsansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz übertragen, so muss die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, in dem dem Berechtigten bekannt ist, dass und von wem er eine Vergütung zu fordern hat. Die Frist für die Verjährung von Unterlassungsansprüchen nach dem UrhG ist - anders als nach UWG - nicht gesondert geregelt. Ob sie - wie Schönherr (Grundriß Rz 519) meint - analog dem § 1489 ABGB zu behandeln ist oder § 20 UWG analog herangezogen werden sollte, kann offen bleiben, weil die Beklagte nicht einmal behauptet hat, dass auch der letzte der geltend gemachten Verstöße (Katalog für 2001) der Klägerin mehr als sechs Monate vor Erhebung der Klage (5. 3. 2001) zur Kenntnis gekommen sei.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben, der angefochtene Beschluss in seinem bestätigenden Teil aufzuheben und dem Erstgericht auch in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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