LG Feldkirch , 20. Oktober 2003, Geschäftszahl 3R259/03s, Stichworte: Gerichtsstand, EuGVVO, Brüssel I-Verordnung, besondere Zuständigkeit für bestimmte Verbrauchersachen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr,

Beschluss
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter des Landesgerichtes Hofrat Dr. Künz als Vorsitzenden sowie Dr. Troll und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei ***** vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagten Parteien 1. ***** 2. ***** ebendort, beide vertreten durch Winkler-Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen EUR 1.022,52 sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bregenz vom 23. Juli 2003, 8 C 253/02 y-25, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
"Die Klage wird mangels internationaler Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Bregenz zurückgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 1.192,28 (darin enthalten an USt EUR 198,71) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:
Mit der am 12.3.2002 beim Erstgericht überreichten Klage begehrt die klagende Partei im Zusammenhang mit der Erbringung medizinischer Behandlungen laut Rechnung vom 25.5.2001 EUR 1.022,52 sA. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützte die klagende Partei auf den mit den Beklagten abgeschlossenen Behandlungsvertrag, in dem Bregenz als Gerichtsstand und Erfüllungsort vereinbart worden sei. Allein die Zugänglichkeit einer Website der klagenden Partei rechtfertige nicht die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstands nach Art 15 EuGVVO. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, dass der Vertragsabschluss auch tatsächlich im Fernabsatz erfolgte. Zudem stelle die Website der klagenden Partei keine Werbung im Internet dar, sondern enthalte nur Informationen.

Die beklagten Parteien bestritten und erhoben die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit sowie der mangelnden internationalen und örtlichen Zuständigkeit, da sie als Verbraucher anzusehen seien und somit die vorliegende Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 17 EuGVVO unwirksam sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht im zweiten Rechtsgang die beklagterseits erhobenen Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit sowie der fehlenden internationalen und örtlichen Zuständigkeit verworfen.

Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
***** betreibt unter der Firma der klagenden Partei ein Institut für In-Vitro-Fertilisierung und unterhält eine informative Internetseite, in der allgemeine Informationen, insbesondere über Therapieformen, enthalten sind. Weiters scheinen dort Informationen auf, welche Unterlagen und Befunde benötigt werden, um "primär bei der klagenden Partei einen Termin zu erhalten".

Das Institut der klagenden Partei ist ISO-zertifiziert. Im Rahmen dieser Zertifizierung ist es eine übliche Vorgangsweise, Checkpoints einzubauen, damit Patienten nicht unnötig vorsprechen. Es soll vermieden werden, dass Patienten, die nicht von der klagenden Partei behandelt werden können, ohne Notwendigkeit zureisen. Auf der Internetseite sind auch Informationen für Ärzte enthalten. Diese sollen eine Hilfe für Ärzte sein abzuschätzen, ob allenfalls Patienten der klagenden Partei zugewiesen werden können. Auf diese Internetseite der klagenden Partei kann weltweit Einsicht genommen werden. Die klagende Partei will ihre Internetseite nicht als Werbung verstehen. Vielmehr soll sie der Information von Ärzten und Patienten dienen.

***** in ***** hat die beklagten Parteien als Patientenpaar in der Universitätsfrauenklinik betreut und beraten. Da die Beklagten nicht verheiratet waren, bei der Zweitbeklagten eine Eileiterunterbindung schon durchgeführt worden war und die Zweitbeklagte zwei Kinder von ihrem ersten Ehegatten hatte, war nach deutschem Recht in einem solchen Fall eine Behandlung in Deutschland nicht zulässig. ***** hat die Beklagten auf die Rechtslage sowie darauf hingewiesen, dass in Österreich gesetzlich anerkannte Therapien unter gewissen Voraussetzungen durchgeführt werden könnten.

Der Erstbeklagte hat den Bruder der Zweitbeklagten ersucht, im Internet nach Adressen von Ärzteinstituten zu suchen, die künstliche Befruchtungen durchführen. Die Adresse der klagenden Partei haben die Beklagten dann einem Gynäkologen gezeigt und dieser wies darauf hin, dass das Institut der klagenden Partei an der deutsch-österreichischen Grenze liege und daher von der Entfernung für eine medizinische Behandlung günstig sei.

Die Beklagten setzten sich in der Folge mit ***** in Verbindung. Es wurde ein Termin vereinbart und es kam dabei zum Abschluss des Behandlungsvertrages vom 22.5.2001 (Beilage ./A). Darin wurde ua Folgendes vereinbart:
"Zuständig für die Beurteilung von Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Behandlungsvertrag sind die allgemeinen Gerichte. Gerichtsstand ist Bregenz. Das Institut hat indessen auch das Recht, die unterzeichneten Parteien bei deren allgemeinen Gerichtsstand zu belangen. Die Patientin und ihr Ehemann bzw. Lebenspartner bestätigen, dass sie auf diese Bestimmung in besonderer Weise hingewiesen worden sind und dass ihnen deren Bedeutung erklärt worden ist."
Ausgehend von diesen Feststellungen kam das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zur Auffassung, ohne Zweifel stehe fest, dass mit einer Website im Internet ganz allgemein - gewollt oder ungewollt - Werbung durch Bekanntmachung verbunden sei. Dennoch sei nicht davon auszugehen, dass die klagende Partei im Internet um Abschlüsse von Behandlungsverträgen werbe. Im Behandlungsvertrag anlässlich der Vorsprache der beklagten Parteien bei der klagenden Partei in Bregenz sei als Gerichtsstand das Erstgericht vereinbart worden. Diese Vereinbarung sei zulässig. Von einer Werbung oder Ausrichtung der geschäftlichen Tätigkeit der klagenden Partei nach Deutschland könne nicht die Rede sein.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, allenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH der Einrede der Unzuständigkeit stattzugeben und die Klage kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die klagende Partei hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel der Gegenseite keine Folge zu geben.

Rechtssatz
Der Rekurs ist begründet.

Mit 1.3.2002 (Art 76) ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO oder auch Brüssel I-Verordnung) in Kraft getreten. Die Vorschriften dieser Verordnung sind dabei auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw aufgenommen worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist. Hier wurde die Klage am 12.3.2002 überreicht, sodass zur Beurteilung der Zuständigkeit des Erstgerichtes die EuGVVO zu Grunde zu legen ist.

Die EuGVVO sieht wie das EuGVÜ eine besondere Zuständigkeit für bestimmte Verbrauchersachen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr vor. Sie schafft eine eigene, grundsätzlich abschließende Zuständigkeitsordnung, indem sie dem Verbraucher das Privileg des Wohnsitzgerichtsstandes auch in den Fällen gewährt, die sonst einen anderen Gerichtsstand begründen würden. Durch solche Sonderregelungen will die Verordnung der Unterlegenheit des Verbrauchers gegenüber dem beruflich bzw gewerblich Handelnden Rechnung tragen und somit der schwächeren und weniger gewandten Partei die Vorteile des eigenen Gerichtsstands und mittelbar die Anwendung des eigenen Rechts verschaffen.

Das Verbraucherforum setzt voraus, dass es sich um eine Klage aus einem Verbrauchervertrag handelt. Als solcher wird ein Vertrag definiert, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Begriff bleibt anwendbar (Wolf, EuZW 2000, 11; Heß, IPRax 2000, 370). Darüber hinaus ist für den Verbraucher ein Wohnsitzgerichtsstand nur dann eröffnet, wenn die Vorausetzungen des Art 15 EuGVVO erfüllt sind. Im Vergleich zu Art 13 EuGVÜ wurde der sachliche Anwendungsbereich des Art 15 EuGVVO in mehrfacher Hinsicht erweitert.

So sieht Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO neben den aus Art 13 Abs 1 Nr 1 und 2 EuGVÜ bekannten Fällen (Teilzahlungskaufverträge sowie in Raten zurückzuzahlende Darlehen und andere Kreditgeschäfte, die zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt sind) vor, dass der Verbrauchergerichtsstand auch gegeben ist "in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten einschließlich dieses Mitgliedstaats ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt".

Nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO kommen somit die besonderen Zuständigkeitsregeln für Verbrauchersachen weiterhin uneingeschränkt für Abzahlungskäufe und Finanzierungskredite, beim Kauf beweglicher Sachen, daneben jetzt auch für alle anderen Verbraucherverträge (einschließlich Kreditverträge) zur Anwendung. Während Art 13 Abs 1 Nr 3 EuGVÜ also nur auf Verträge Bezug nahm, die die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, kann unter Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO im Prinzip jede Art von Verbrauchervertrag fallen. Außerdem beseitigt Art 15 EuGVVO die einschränkenden Voraussetzungen von Art 13 Abs 1 Nr 3 lit a und b EuGVÜ, die die besonderen verbraucherschützenden Zuständigkeitsregeln nur dann zur Anwendung kommen ließen, wenn eine Inlandsbeziehung in Form bestimmter Geschäftsumstände hinzutrat. So musste zuvor eine Werbung oder ein Angebot im Wohnsitzstaat des Verbrauchers erfolgen und kumulativ musste der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat vornehmen. Art 15 EuGVVO gewährt demgegenüber den Verbrauchergerichtsstand bereits immer dann, wenn der Anbieter seine Tätigkeiten auf den Wohnsitz des Verbrauchers "ausrichtet". Damit werden zwei zentrale Änderungen gemacht: Jetzt genügt einerseits die bloße Ausrichtung der Tätigkeit des Anbieters auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers für die Geltung des Verbrauchergerichtsstands und andererseits wird nicht mehr verlangt, dass der Verbraucher seine Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat tätigt.

Der neue Art 15 EuGVVO hat für den elektronischen Rechtsverkehr durchgreifende Veränderungen gebracht. Da Websites ohne weiteres praktisch in der ganzen Welt zugänglich sind, führt Art 15 EuGVVO dazu, dass jeder in der EU ansässige bzw eine Niederlassung unterhaltende Anbieter, der eine weltweit abrufbare, kommerzielle Homepage im Internet eingerichtet hat, damit rechnen muss, in jedem beliebigen EU-Mitgliedstaat gerichtspflichtig zu werden. Während das bisherige Recht für die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes verlangte, dass die Werbung des Anbieters im Wohnsitzstaat des Verbrauchers erfolgt und dass der Verbraucher seine zum Abschluss des Vertrages führende Erklärung in seinem Wohnsitzstaat vornimmt, reicht es nach der neuen Bestimmung, wenn der Anbieter seine Homepage auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers "ausrichtet" und im Bereich der auf der Website dargestellten Tätigkeit einen Vertrag mit dem Verbraucher abschließt. Hier wird die Unterscheidung zwischen "aktivem" und "passivem" Verbraucher überflüssig (Jayme/Kohler, IPRax 1999, 405; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtstands- und Vollstreckungsrecht² Rz 1 zu Art 15). Der von Art 15 Abs 1 lit c EuGVO verfolgte Zweck ist gegenüber Art 13 Nr 3 EuGVÜ derselbe geblieben. In Verbrauchergeschäften mit Auslandsbezug soll der "passive" Verbraucher bevorzugt werden, und zwar nunmehr schon dann, wenn ein ausländischer Unternehmer in seinem Wohnsitzstaat tätig wird oder eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet (Czernich/Tiefenthaler/Kodek aaO Rz 21 zu Art 15).

Auszugehen ist jedenfalls davon, dass mit Inkrafttreten der EuGVVO Verbraucher im Geltungsbereich der Verordnung nicht schlechter gestellt werden sollten, als dies nach den Bestimmungen der Art 13 f EuGVÜ der Fall war.

"Ausrichtung" nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO geht weiter als der in Art 13 Nr 3 EuGVÜ verwendete Begriff der Werbung, erfasst aber jedenfalls auch diese. Miteinbezogen sind alle den Absatz fördernden Handlungen, etwa Werbung in der Presse oder im Fernsehen (Czernich/Tiefenthaler/Kodek aaO Rz 24 zu Art 15). Grenzüberschreitende und nicht nur lokale Werbung sollte ausreichen. In Frage kommt dabei auch Werbung in Rundfunk, Kino oder im Teletext (Gaimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rz 34 zu Art 13 EuGVÜ).

Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, einerseits entsprechend zielgerichtete Verlautbarungen in Fernsehen, Rundfunk, Presse, Kino und Teletext als Werbung anzusehen, nicht hingegen derartige Veröffentlichungen im Internet. Eine Werbung im Internet erfüllt auf Grund ihrer grenzüberschreitenden Ausrichtung jedenfalls die Voraussetzung nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO (RIS-Justiz RS0108686, RS0106680). Insofern ist der Unterscheidung nicht zu folgen, wonach bloße Werbung mit einer rein passiven Website nicht als "Ausrichten" der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers zu werten ist und nicht unter Art 15 EuGVVO fällt, sondern nur ein Anbieter, der über eine sog. aktive Website den Vertrag abschließt, nach dieser Bestimmung gerichtspflichtig wird (so Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht5 § 3 Rz 106). Diese in den USA vorherrschende Rechtsprechung mit der Unterscheidung zwischen "passiver und aktiver Website" hat die Kommission ausdrücklich als zu eng zurückgewiesen. Diesfalls würde nämlich die Neuregelung deutlich hinter jener des Art 13 EuGVÜ zurückbleiben, nach der bereits eine gezielte Werbung den notwendigen Bezug zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers herstellt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Verbraucherschutz für Geschäfte im Internet erweitert werden sollte. Deshalb können nur Websites vom Anwendungsbereich des Art 15 EuGVVO ausgeschlossen sein, die ersichtlich nicht auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet sind, indem sie ausdrücklich oder konkludent einen geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern aus diesem Staat ausschließen. Weiters ist zu fordern, dass sich der Vertragspartner des Verbrauchers an seinen Ausschluss hält. Der konkret zustande gekommene Vertrag muss sich als unplanmäßige Ausnahmeerscheinung darstellen (Micklitz/Rott, Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung [EG] Nr. 44/2001, EuZW 2001, 331; Mochar/Seidl, Internationales Verbraucherschutzrecht und e-commerce, ÖJZ 2003, 241 ff insb 252; Lurger in Gruber, Internet 78 f; Burgstaller/Neumayr in Burgstaller, IZVR II Rz 14 ff zu Art 15 EuGVVO).

Wenn im vorliegenden Fall nach den getroffenen Feststellungen die klagende Partei im Internet nicht zum Abschluss von Behandlungsverträgen werben will, so besteht aber auf Grund der Aufmachung der gesamten Website, wie sie sich in den im Akt erliegenden Unterlagen darstellt, kein Zweifel, dass die klagende Partei damit ihre Tätigkeiten auf die Hoheitsgebiete anderer Mitgliedsstaaten ausrichtet; vergleichbar mit der "universellen Verbreitung" nach alter Rechtslage. So werden nicht nur ganz allgemein ohne Bezugnahme auf das Institut der klagenden Partei Informationen über die Reproduktionsmedizin gegeben. Vielmehr werden konkret Paare mit unerfülltem Kinderwunsch angesprochen und sehr detailliert die Anmeldung, Kontaktaufnahme und Erreichbarkeit der klagenden Partei dargestellt. Selbst wenn man von einer engeren Auslegung des Begriffs "Ausrichtung" ausgehen würde, wäre hier doch eine eindeutige Ausrichtung durch ein kundenorientiertes One-to-one-Marketing zu bejahen, zumal die Online-Angebote individuell auf das jeweilige Kundenprofil (ua Paare mit unerfülltem Kinderwunsch) abgestimmt sind (Burgstaller/Neumayr in Burgstaller aaO).

Im gegenständlichen Fall steht auch fest, dass die beklagten Parteien zuerst die Adresse der klagende Partei über deren Website in Erfahrung gebracht haben und erst daraufhin ***** das Institut der klagenden Partei empfohlen hat. Somit ist auch die Kausalität zwischen dem Auftritt der klagenden Partei im Internet und dem gegenständlichen Vertragsabschluss erwiesen. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde dies zu keinem günstigeren Ergebnis für die klagende Partei führen, weil die Forderung nach einem Kausalnachweis nicht nur dem klaren Wortlaut der EuGVVO sondern auch dem bereits oben beschriebenen Zweck der im vierten Abschnitt der EuGVVO enthaltenen Zuständigkeitsbestimmungen widersprechen würde. Es würde nämlich den verbraucherfreundlichen Schutzzweck erheblich einschränken, wenn man vom Verbraucher den schwer zu führenden Nachweis verlangen wollte, dass der Internet-Auftritt des Vertragspartners für den Vertragsabschluss ursächlich geworden ist. Für die Anwendung von Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO genügt es, dass der Vertragspartner des Verbrauchers seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf irgendeinem Weg auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten ausgerichtet hat und dass es danach "wie auch immer" zum Vertragsabschluss gekommen ist (Gaimer/Schütze aaO Rz 35 zu Art 13; 4 R 133/03 v LG Feldkirch mwN).

Dem Einwand in der Rekursbeantwortung, die Internet-Adresse der klagenden Partei laute "www.*****.at", wodurch sich die klare Bezeichnung als österreichische Homepage herauslesen lasse, ist entgegenzuhalten, dass auch eine "österreichische Website" mit der Endung unter ".at" problemlos in anderen Staaten aufgerufen und eingesehen werden kann. Daraus lässt sich aber auch keinesfalls der Schluss ziehen, die klagende Partei wolle den Vertragsabschluss mit Verbrauchern aus "unerwünschten Staaten" ausdrücklich oder konkludent ausschließen.

Aus diesen Überlegungen wird die Ansicht des Erstgerichtes nicht geteilt, die klagende Partei könne sich erfolgreich auf eine Gerichtstandssvereinbarung nach Art 17 EuGVVO oder auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 5 EuGVVO stützen. Bei Verbraucherverträgen gemäß Art 15 EuGVVO bietet Art 16 EuGVVO dem Verbraucher einen Aktivgerichtstand an seinem Wohnort. Für Klagen gegen den Verbraucher - wie hier - fehlt eine entsprechende ausdrückliche Regelung. Da aber Verbraucher nur in dem Staat verklagt werden können, in dem sie ihren Wohnsitz haben, ist die örtliche Zuständigkeit am Gericht ihres Wohnsitzes der Normalfall (Hüßtege, IPRax 2001, 31 f). Gerichtstandssvereinbarungen bleiben nach Art 17 EuGVVO nur dann zulässig, sofern sie dem Verbraucher zusätzliche Gerichtsstände zur Wahl stellen, nach Entstehung der Streitigkeit getroffen werden oder wenn ein Verbraucher und sein Vertragspartner, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben, die Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaates begründen. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Behandlungsvertrag vom 22.6.2001, Beilage ./A, nicht. Daraus folgt, dass das Erstgericht für die vorliegende Klage weder international noch örtlich zuständig ist, sodass sie gemäß § 43 Abs 1 JN zurückzuweisen ist.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die klagende Partei den beklagten Parteien die bisher aufgelaufenen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen. Diese wurden von den beklagten Parteien im Wesentlichen richtig verzeichnet. Lediglich der vorbereitende Schriftsatz vom 7.10.2002, ON 12, ist mangels Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung nicht zu honorieren, weil das dort enthaltene Vorbringen sowohl in der vorangegangenen als auch in der nachfolgenden Streitverhandlung erstattet werden hätte können. Werden die Kosten für diesen Schriftsatz aus dem Kostenverzeichnis der beklagten Parteien ausgeschieden, ergeben sich berechtigte Kosten für das Verfahren erster und zweiter Instanz von EUR 1.192,28 (darin enthalten an USt EUR 198,71).

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig, da der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,-- nicht übersteigt.

Landesgericht Feldkirch

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