OGH, am 29 Mai 2001, Geschäftszahl 4Ob123/01v, Stichwort: dullinger.at,
§ 43 ABGB, Verwechslungsgefahr, nicht schutzwürdiges Interesse
Rechtssatz:
Das Interesse, unter einem Firmenschlagwort in Verbindung mit der Top Level
Domain ".at" im Internet auffindbar zu sein, ist nicht selbständig
geschützt. Nur wer (zB) in seinem Namensrecht oder Firmenrecht verletzt
ist, hat Anspruch darauf, dass ein diese Rechte verletzender Gebrauch unterbleibt,
so dass die Domain von ihm genutzt werden kann.
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Christian W*****, vertreten durch Dr. Walter Brandt, Rechtsanwalt in Schärding, wegen Unterlassung und Einwilligung in die Übertragung einer Domain (Streitwert 60.000 S), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. März 2001, GZ 3 R 31/01a-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. November 2000, GZ 2 Cg 143/00k-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 4.871,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 811,84 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist ein führendes und bekanntes Unternehmen für die Herstellung und den Vertrieb von Kalkprodukten, Düngemitteln, Mineralprodukten und Futterphosphaten. Ihre Firma - Dullinger GmH - leitet sich vom Familiennamen eines ihrer Gesellschafter ab.
Der Beklagte ist Inhaber der Firma G*****. In dieser Eigenschaft traf er am 6. 9. 1999 mit Stefan Dullinger als "Inhaber der Firma Dullinger Stefan KEG" folgende Vereinbarung:
"Einverständniserklärung
Die Firma 'G***** ...' wird für mich einen Internetauftritt samt aller anfallenden Tätigkeiten vornehmen. Ich bin darüber informiert worden und damit auch einverstanden, dass oben genannte Firma den Domainnamen www.dullinger.at solange auf ihren Namen registrieren wird, bis alles zur Einspielung der Daten ins WEB erledigt ist. Ab dem Zeitpunkt, wo mein Internetauftritt abgeschlossen ist (alle Daten online im WEB, Bezahlung des Auftrags usw), wird oben genannte Firma eigenhändig die Änderung der Inhaberdaten der Domain www.dullinger.at auf mich vornehmen."
Aufgrund dieser Vereinbarung veranlasste der Beklagte am 7. 9. 1999 die Reservierung der Domain "dullinger.at" bei der Nic.at Internetverwaltungs- und BetriebsgesellschaftmbH.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, die Internetdomain "www.dullinger.at" im geschäftlichen Verkehr als Domainnamen zu verwenden und in die Übertragung der Domain "dullinger.at" auf die Klägerin, in eventu in die Löschung der Domain "dullinger.at", einzuwilligen. Der Beklagte habe keine eigenen Rechte an der Domain "dullinger.at". Mit der Verwendung der Domain verletze er das Namens- und Firmenrecht der Klägerin. Es liege auch ein Fall des Domain Grabbing vor. Der Beklagte könne sich nicht auf das Namensrecht Stefan Dullingers berufen. Eine - allenfalls vorliegende - verdeckte Treuhandschaft sei gegenüber Dritten wirkungslos.
Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Vorwurf des Domain Grabbing sei nicht berechtigt. "Dullinger" sei ein häufiger Familienname; eine Irreführung der Internetnutzer sei ausgeschlossen. Der Beklagte habe die Domain trotz Fertigstellung der Website nicht auf Stefan Dullinger übertragen können, weil die Übertragung während des anhängigen Rechtsstreits nicht möglich sei.
Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren statt. Der Beklagte habe die Domain weder aufgrund eigenen Namensrechts noch aufgrund eines von der Dullinger Stefan KEG abgeleiteten Namensrechts registrieren lassen. Zweck der Registrierung sei nur gewesen, die Erfüllung des von der Dullinger Stefan KEG erteilten Auftrags sicherzustellen.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung, wies
das Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands
260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Unterbleiben der Parteienvernehmung mache das Verfahren nicht nichtig.
Der Beklagte sei aufgrund der Vereinbarung mit Stefan Dullinger berechtigt,
den Namen "Dullinger" als Domainnamen zu verwenden. Bei Namensgleichheit
sei die Priorität maßgebend. Das Klagebegehren wäre auch
dann nicht berechtigt, wenn der Beklagte nicht berechtigt wäre, den
Namen "Dullinger" zu verwenden. Bei häufig vorkommenden Namen
bestehe keine Gefahr, dass der Name mit einem bestimmten Namensträger
in Zusammenhang gebracht
werde. Einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch stehe das Fehlen
eines Wettbewerbsverhältnisses entgegen. Für ein Domain Grabbing
fehle jeder Anhaltspunkt.
Rechtssatz
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; die Revision ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte aufgrund der Vereinbarung mit Stefan Dullinger berechtigt sei, die Domain "dullinger.at" registrieren zu lassen. Der Vereinbarung sei nur der Auftrag zu entnehmen, einen Internetauftritt Stefan Dullingers vorzubereiten. Es gehe daraus nicht hervor, dass der Beklagte berechtigt wäre, "den Namen des Herrn Stefan Dullinger für sich abzuleiten und zu verwenden, wie dies etwa bei Lizenzrechten der Fall ist".
Der Klägerin ist entgegenzuhalten, dass der Beklagte sich nie auf ein Recht berufen hat, den Namen "Dullinger" für sich zu verwenden. Der Beklagte hat behauptet und bewiesen, dass er von Stefan Dullinger den Auftrag erhalten hat, einen Internetauftritt vorzubereiten und alle dazu notwendigen Schritte, einschließlich Domainregistrierung, vorzunehmen. Mit der vom Erstgericht festgestellten Vereinbarung hat Stefan Dullinger den Beklagten ermächtigt, die Domain "dullinger.at" vorerst auf seinen Namen registrieren zu lassen.
Damit entfällt ein Verstoß gegen § 43 ABGB: Das durch diese Bestimmung geschützte Namensrecht wird durch - hier nicht vorliegende - Namensbestreitung und durch unbefugten Namensgebrauch beeinträchtigt. Unbefugt ist ein Gebrauch, der weder auf eigenem Recht beruht noch vom Berechtigten gestattet wurde (Aicher in Rummel, AGBG3 § 43 Rz 13 mwN). Als berechtigter Namensträger konnte Stefan Dullinger dem Beklagten den Gebrauch seines Namens rechtswirksam gestatten. Eines - vom Beklagten gar nicht behaupteten und von der Klägerin bestrittenen - Treuhandverhältnisses bedarf es hierfür nicht.
Die Klägerin macht geltend, dass ihr Unterlassungsanspruch auch dann berechtigt sei, wenn sich der Beklagte zu Recht auf das Namensrecht Stefan Dullingers berufe. Die Verwechslungsgefahr möge zwar aufgrund einer allenfalls gegebenen Branchenverschiedenheit gering sein; die überragende Verkehrsgeltung des Namens "Dullinger" gebe der Klägerin aber bereits prinzipiell das Recht zur Erhaltung der Kennzeichnungskraft ihres Namens. Die schutzwürdigen Interessen der Klägerin seien beeinträchtigt, wenn ihr der Internetzugang unter "dullinger.at" verwehrt werde.
Diese Ausführungen sind aus mehreren Gründen nicht stichhaltig:
Der erkennende Senat hat schon wiederholt ausgesprochen,
dass es bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr auf den Inhalt der
Website ankommt. In diesem Sinn stellt die Entscheidung
MR 1999, 351 = ÖBl 2000, 72 - Format bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr
zwischen dem Firmenbestandteil "Format" und der Internet Domain
"format.at" auf den Inhalt der unter "format.at" betriebenen
Homepage ab. Die (dortige) Beklagte hatte in ihrer Homepage auf die von
ihr verlegten Druckschriften hingewiesen und dadurch den Eindruck wirtschaftlicher
und organisatorischer Beziehungen zwischen ihrem Unternehmen und dem
der (dortigen) Zweitklägerin hervorgerufen. Auch die Entscheidung
MR 2000, 322 = wbl 2000/386 - Gewinn.at berücksichtigt bei der
Prüfung der Verwechslungsgefahr die im Internet angebotenen Leistungen.
Das Gleiche gilt für die - im Provisorialverfahren ergangene - Entscheidung
ARD 5193/26/2001 = ecolex 2001/55 = MR 2000, 325 = ÖBl 2001, 35 = wbl
2001/32 - bundesheer.at, in der diese Frage aber wegen der Verneinung
der Gefährdung letztlich nicht entscheidungserheblich war, sowie für
die Entscheidung 4 Ob 327/00t - cyta.at.
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es demnach auf den Inhalt der unter einer bestimmten Domain in das Netz gestellten Website an. Das schließt das Bestehen von Verwechslungsgefahr aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - noch keine Website eingerichtet ist und die Domain für den Internetauftritt eines Unternehmens registriert wurde, von dem nicht einmal feststeht, in welcher Branche es tätig ist. Es kann daher offen bleiben, ob die Registrierung einer Domain durch einen zum Namensgebrauch Berechtigten überhaupt geeignet ist, das Recht an einem mit dem Namen übereinstimmenden Firmenschlagwort zu verletzen.
Nicht weiter einzugehen ist auch auf die von der Klägerin behauptete Verwässerungsgefahr. Mit "Verwässerungsgefahr" wurde - vor Einführung des Schutzes der bekannten Marke (§ 10 Abs 2 MSchG; § 14 Abs 2 Z 3 dMarkenG) - der Schutz berühmter Kennzeichen bei durchgreifender Warenverschiedenheit begründet (Aicher in Rummel aaO § 43 Anm 18 mwN). Dass das Firmenschlagwort der Klägerin ein in diesem Sinn berühmtes Zeichen wäre, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen.
Das begehrte Unterlassungsgebot lässt sich auch nicht mit der von der Klägerin behaupteten Verletzung schutzwürdiger Interessen begründen. Das Interesse, unter einem Firmenschlagwort in Verbindung mit der Top Level Domain ".at" im Internet auffindbar zu sein, ist nicht selbstständig geschützt. Nur wer (zB) in seinem Namens- oder Firmenrecht verletzt ist, hat Anspruch darauf, dass ein diese Rechte verletzender Gebrauch unterbleibt, so dass die Domain von ihm genutzt werden kann.
Aus der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten
Entscheidung ecolex 2000/98 ((Schanda)) = EvBl 2000/113
= MR 2000, 8 = ÖBl 2000, 134 ((Kurz)) = RdW 2000/296 = WBl 2000, 142
- ortig.at folgt nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat der
erkennende Senat ausgesprochen, dass die Gefahr eines unwiederbringlichen
Schadens besteht, wenn ein Ausfall an möglichen weiteren Kunden droht,
weil dem - prioritätsälteren - Namensträger durch die Verwendung
seines Namens zur Bezeichnung einer Domain der Zugang unter einer aus seinem
Namen gebildeten Adresse verwehrt und er daher im Internet nicht rasch auffindbar
sei. Das Namensrecht des (dortigen) Klägers leitete sich aus seinem
Familiennamen ab, während
die Domain "ortig.at" von der (dortigen) Beklagten für eine
noch nicht einmal bestehende und damit auf dem Markt auch noch nicht in
Erscheinung getretene Organisation treuhändig gehalten und damit unbefugt,
weil ohne eigenes oder von einem Berechtigten abgeleitetes Recht, gehalten
wurde.
Die Revision musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. § 23 Abs 9 RATG ist im Revisionsverfahren nicht anzuwenden.