OGH, am 22. Oktober 2002, Geschäftszahl 11Nds33/02, Stichworte: Unterscheidung zwischen Rundfunk und elektronischen Medien, keine analoge Anwendung des § 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG, Delegierungsantrag aus Kostengründen gerechtfertigt
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Straf- und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin Mag. Irmgard M***** gegen den Beschuldigten Mag. Christian K***** und den Antragsgegner Österreichischer Rundfunk wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, AZ 091 Hv 19/02h des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über den Delegierungsantrag des Beschuldigten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch:
Die Straf- und Medienrechtssache wird dem Landesgericht für Strafsachen
Wien abgenommen und dem Landesgericht Salzburg zugewiesen.
Gründe:
Die Privatanklägerin Mag. Irmgard M*****, Lehrkraft an einem Gymnasium
in Salzburg, stellte mit Schriftsatz vom 20. Februar 2002 beim Landesgericht
für Strafsachen Wien (AZ 091 Hv 19/02h) gegen den Rechtsanwalt Mag.
Christian K***** Strafantrag nach § 111 Abs 1 und 2 StGB, weil er sie
im Jänner 2002 in einem Medium in einer für einen Dritten wahrnehmbaren
Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen und/oder
eines unehrenhaften oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden
Verhaltens beschuldigt habe, das geeignet sei, sie in der öffentlichen
Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, indem er in einem
Interview, das am 22. Jänner 2002 auf der Internet-Hompage http://oesterreich.orf.at
veröffentlicht worden sei, die Behauptung aufgestellt habe, es werde
weitere juristische Schritte geben, weil man auch andere Kinder vor ihr
"schützen" müsse; sie würde Hausaufgaben und Schularbeiten
nicht korrigieren und dazu noch die Schüler beschimpfen. Weiters beantragte
sie, dem Österreichischen Rundfunk als Haftungsbeteiligten die Urteilsveröffentlichung
aufzutragen und gemäß §§ 6 ff MedienG die Zahlung einer
Entschädigung aufzuerlegen.
In der Hauptverhandlung vom 4. April 2002 machte der Beschuldigte Unzuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien geltend, weil die Tat in Salzburg (im Zuge eines Interviews für das dortige ORF-Landesstudio) begangen worden sei (S 33). Der Verteidiger beantragte jedoch die Delegierung an das Landesgericht Salzburg, weil in dessen Sprengel sowohl die Privatanklägerin als auch der Beschuldigte und zahlreiche nominierte Zeugen ihren Aufenthalt hätten (S 35).
Rechtssatz:
Der Delegierungsantrag ist begründet. Nach der vom Obersten Gerichtshof
geteilten Auffassung der herrschenden Lehre sind elektronische Medien -
wie etwa Bildschirmtext, Teletext, aber auch das Internet - nicht vom Rundfunkbegriff
des Art I Abs 1 BVG-Rundfunk erfasst, weil sie sich zumeist auf die Wiedergabe
von Schriftzeichen beschränken, die genannte Gesetzesstelle sich jedoch
ausschließlich auf Darbietungen "in Wort, Ton und Bild",
nicht aber auf solche in Schrift bezieht (13
Os 83/02 mwN).
Die Rundfunkähnlichkeit derartiger Dienste indiziert zwar die analoge Anwendung der §§ 40 Abs 2 und 41 Abs 2 erster Satz MedienG zur Schließung planwidriger Lücken in Ansehung der Bestimmung des Begehungsortes der hieraus folgenden örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit, rechtfertigt jedoch - mangels eines zusätzlichen Regelungsbedarfs - nicht auch die analoge Anwendung des § 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG. Die letztgenannte Gesetzesbestimmung ist auf Grund ihres spezifisch auf den Rundfunk zugeschnittenen Konzentrationszweckes und der damit verbundenen teleologischen Begrenzung einer Lückenschließung nicht geeignet, für die derzeit legistisch nicht erfassten, einer generellen regionalen Zuordnung entzogenen elektronischen Medien Auswirkungen zu entfalten (abermals 13 Os 83/02 mwN).
Die Delegierung an das Landesgericht Salzburg ist demnach zulässig und durch die im Antrag aktenkonform genannten Umstände, die eine bedeutende Kostenersparnis erwarten lassen (vgl ON 4, Mayerhofer StPO4 § 62 E 5b), auch gerechtfertigt.