OLG Wien, am 15. Dezember 2003, Geschäftszahl 4 R 186/03g, NICHT rechtskräftig, Stichworte: megasex.at, Haftung des Host-Providers für Wettbewerbsverletzung auf der Kunden-Website, keine Haftung mangels Offenkundigkeit der Rechtsverletzung für den Providers

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr.Jesionek als Vorsitzende und Dr.Grohmann sowie die KR Judtmann in der Rechtssache der klagenden Partei E*** C*** C*** LTD , vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) G*** B***, vertreten durch Dr. Georg Mayer, Rechtsanwalt in Wien, und 2) N*** Telekom GmbH, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: jeweils €10.901,16; insgesamt € 21.802,32 sA) infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.6.2003, 10 Cg 82/01t-20, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit € 1.983,24 (darin enthalten € 330,54 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 20.000,--.
Die Revision ist zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bietet Telefonmehrwertdienstleistungen und Live Cam Darbietungen sowie Partnervermittlungen im Internet an.
Die Erstbeklagte betreibt eine Internetdomain www.megasex.at, die Telefonkontaktvermittlungen anbietet und Partnervermittlungen durchführt.
Die Zweitbeklagte ist Host-Provider (im Folgenden Provider) der Erstbeklagten und hat für die Zurverfügungstellung von Speicherplatz und für die Domainverwaltung der Homepage www.megasex.at Entgelt erhalten. Die Zweitbeklagte ist technisch in der Lage, Internetseiten ihrer Kunden jederzeit vom Netz zu nehmen.

Am 13.1.2002 schickte die Klägerin der Zweitbeklagten ein E-Mail (Beil./1) mit dem Hinweis, dass die von der Zweitbeklagten als Provider gehostete Homepage der Erstbeklagten in fünf folgenden Punkten unzulässig bzw irreführend sei: Es sind keine AGB veröffentlicht, es findet sich kein Impressum, die Mehrwertnummern weisen keine Tarifangaben auf, Mehrwertnummern (0930...) werden für Callgirl-Kontakte verwendet, es werden Worte wie "Gratis" verwendet, um für Mehrwertnummern Werbung zu betreiben. Die Klägerin forderte die Zweitbeklagte auf, diese Webseiten sofort zu sperren und dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Ergebnis der Besprechungen der Zweitbeklagten mit ihrem Rechtsvertreter Dr. Wagesreiter war, dass im Falle eines groben Verstoßes eine Internetseite sofort abgestellt werden könne, wie zB Kinderpornographie, und dass bei anderen allfälligen Verstößen dem Betreiber eine Frist zur Verbesserung einzuräumen sei. Daraufhin forderte die Zweitbeklagte die Erstbeklagte am 14.1.2002 per E-Mail (Beil./2) auf, ihre Homepage auf die beanstandeten Umstände zu überprüfen und diese gegebenenfalls zu beheben, andernfalls die Homepage gesperrt würde. Telefonisch setzte die Zweitbeklagte zur Verbesserung des Inhaltes der Website eine Frist bis 16.1.2002, 17.00 Uhr. Die zugesagte Korrektur erfolgte nicht innerhalb dieser Frist, weshalb die Zweitbeklagte am 16.1.2002 die Sperre der beanstandeten Homepage veranlasste. Die Sperre erfolgte am Vormittag des 17.1.2002. Telefonisch sicherte die Erstbeklagte der Zweitbeklagten die entsprechende Änderung bis am Nachmittag dieses Tages zu. Am 13.1.2002 schienen auf der Webseite der Erstbeklagten keine Preisangaben für die Tarife der anwählbaren Telefonnummern auf. Bei 0810-Nummern war "nur Ortstarif" angegeben, und bei der Nummer 01/275629009004 "Gratis". Weiters wurde ein "Gratis Live-Chat" unter der Nummer 01275/6290090010 angeboten. Am Nachmittag des 17.1.2002 war dann ein Impressum vorhanden und bei den Telefonnummern waren Euro-Beträge angegeben, wie der für Beschwerden bei der Zweitbeklagten zuständige Angestellte Steric feststellte. Deshalb schaltete die Zweitbeklagte die Website noch am 17.1.2002 wieder frei.
Am 28.1.2002 waren teilweise maximale Preisangaben für die Anrufe in Euro angegeben und es gab eine Seite "Copyright und Rechtshinweise". Auf der Website wurde auch angeboten: "Wir senden Ihnen gerne gratis 4 Stück Sexzeitungen zu. Bestellen Sie noch heute! ... Telefon. 090056569091".
Im Impressum war angegeben:
"Mehrwertdienstunternehmen
Firma BIEROCHS G.
1150 Wien"
samt Telefon- und Faxnummern und E-Mailadresse.
Die AGB enthielten unter anderem Folgendes:
"Megasex übernimmt keinerlei Garantien oder Zusicherungen betreffend der Richtigkeit, Vollständigkeit, Tauglichkeit usw der in der Homepage enthaltenen bzw referenzierten Information. Weder Megasex noch irgendeine Person oder ein Unternehmen, das bei der Herstellung, bei der Informationseingabe oder bei der Informationsweitergabe dieser Homepage oder andere in dieser Homepage referenzierter Homepages involviert sind, sind in irgendwelcher Art und Weise haftbar für irgendwelche Schäden im Zusammenhang mit dem Zugang, der Benutzung wie auch allfälligen Störungen bei der Benutzung oder irgendwelchen Irrtümern oder Unterlassungen bezüglich den Inhalt der Homepages. Megasex distanziert sich ausdrücklich von allen Inhalten aller referenzierten Seiten auf ihrer Homepage. Megasex ist nicht verantwortlich für allfällige unangemessene, nutzlose oder nachteilige Investitionen, Aufwendungen oder Transaktionen mit Verlust im Zusammenhang mit dem Zugang, dem Gebrauch oder allfälligen Störungen im Gebrauch der Homepage."
Am Abend des 17.3.2002 forderte die Klägerin per Fax die Zweitbeklagte auf, die Website der Erstbeklagten bis zur Behebung des beanstandeten Zustandes - nämlich angeblich kein gültiges Impressum (unvollständig und fehlende Adresse) und teilweise ungültige AGB - sofort zu sperren. Die Zweitbeklagte sperrte die Website am Vormittag des 18.3.2002 und forderte die Erstbeklagte per E-Mail (Beil./4) auf, eine Bestätigung der rechtlichen Prüfung ihrer Website, dass keine Rechtswidrigkeiten enthalten sind, alternativ eine Bestätigung, dass die angezeigten Rechtswidrigkeiten behoben wurden, zu übermitteln. Die Zweitbeklagte informierte die Klägerin per E-Mail vom 18.3.2002 (Beil./5) über ihre Vorgangsweise und sagte die umgehende Information über das Ergebnis der Prüfung der Website zu. Am Nachmittag des 18.3.2002 kam von der Erstbeklagten per Fax (Beil./6) die geforderte Bestätigung, dass keine rechtswidrigen Inhalte vorhanden seien. Die Zweitbeklagte überprüfte den Inhalt der Website und stellte fest, dass im Sinne der seinerzeitigen Bemängelung vom Jänner 2002 nunmehr das Impressum sowie AGB vorhanden waren und auch die Kosten für die Mehrwertnummern angegeben waren, weshalb sie die Website am 18.3.2002 wieder freischaltete.
Im April und Juni (Beil./J und ./K) forderte die Klägerin die Zweitbeklagte weiterhin auf, die Homepage der Erstbeklagten vom Netz zu nehmen, mit dem Hinweis auf die rechtswidrigen AGB und die unzulässige Bewerbung von Telefonnummern als gratis. Im Schreiben vom 28.4.2002 finden sich Hinweise auf beanstandete Formulierungen auf den Websites, zB dass Telefonnummern als "gratis" beworben werden, obwohl es sich um 0810-Nummern oder um Nummern mit Wiener Ortsvorwahl handelt. Es handle sich daher in Wirklichkeit nicht um Gratisnummern.
Nach Klagseinbringung im April 2002 wurde die Zweitbeklagte im Juni und im November abermals auf den rechtswidrigen Inhalt aufmerksam gemacht, worauf die Homepage der Erstbeklagten vom Netz genommen wurde.

Die Klägerin begehrt die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten
a) im Internet den Anruf bei den Telefonnummern 08109109115, 08109109111 und 01/275629009004 als gratis zu bezeichnen, wenn sie nicht gratis sind,
b) allgemeine Geschäftsbedingungen zu veröffentlichen, nach denen der Domaininhaber und der Betreiber der Homepage keinerlei Haftung für den Inhalt der Homepage übernehmen oder sinngleiche Behauptungen
sowie Urteilsveröffentlichung in der "Kronen-Zeitung".
Die Behauptung, dass ein Anruf unter den angegebenen Telefonnummern gratis sei, sei unwahr und unzulässig. Die Freizeichnungserklärung in den AGB suggeriere, für den Domaininhaber bestehe überhaupt keine Haftung, was sittenwidrig sei. Die beworbene Gratisbestellung von Sexzeitschriften durch Wahl einer 0900.... Nummer koste letztlich mehr als die gratis beworbene Sexzeitung wert sei, weshalb auch diese Ankündigung irreführend sei. Die Zweitbeklagte habe das wettbewerbswidrige Verhalten der Erstbeklagten gefördert und hätte die Unrichtigkeit der Angaben auf der Homepage ohne weitere rechtliche Prüfung erkennen müssen.

Die Erstbeklagte verpflichtete sich in dem am 7.10.2002 geschlossenen Vergleich zur Unterlassung hinsichtlich des Punktes 1.a) des Klagebegehrens (ON 7).

Die Zweitbeklagte wendete ein, die Website der Erstbeklagten enthalte keine Angaben, dass der Anruf unter der Telefonnummer 01/275629009004 und der Anruf unter den weiteren angeführten 0810 Telefonnummern gratis seien. Es sei von Gratiseinführungsangeboten die Rede, was von Internetnutzern nicht in der Weise verstanden werden könne, dass die Anrufe zur Bestellhotline gratis seien. Die ABGB enthielten keinen generellen Haftungsausschluss, sondern schließen eine Haftung nur für bestimmte Informationen und Links auf der Homepage aus. Eine für den Provider offensichtliche Verletzung der Bestimmungen des UWG liege nicht vor, weshalb die Zweitbeklagte auch nicht zur Sperre verpflichtet gewesen sei. Überdies habe die Zweitbeklagte die Homepage zweimal gesperrt und erst nach Übermittlung einer Bestätigung über die Gesetzmäßigkeit wieder zugänglich gemacht. Es könne der Zweitbeklagten als Provider nicht zugemutet werden, auf ihre eigenen Kosten hin bei jedem Hinweis der angeblichen Rechtswidrigkeit eine rechtliche Prüfung durch einen Rechtsanwalt durchführen zu lassen, ob die Beanstandungen tatsächlich zutreffend seien. Die Kosten für derartige Prüfungen stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Hosting. Die Zweitbeklagte könne auch nicht als "Richter" die Rechtswidrigkeit der Homepage der Erstbeklagten beurteilen. Dies werde nur in Fällen krasser, offensichtlicher Rechtsverletzungen (wie etwa Kinderpornographie oder nationalsozialistischer Wiederbetätigung) gelten, nicht aber bei einer detaillierten rechtlichen Prüfung über die rechtliche Zulässigkeit von AGBs. Die begehrte Veröffentlichung in der Kronen Zeitung stünde in einem Missverhältnis zur Schwere der angeblichen Rechtsverletzung. Eine Veröffentlichung auf der Homepage der Erstbeklagten wäre jedenfalls ausreichend.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht ausgehend von dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab und bejahte in rechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen des Haftungsprivilegs des Providers iSd § 16 E-Commerce-Gesetz (ECG). Das Haftungsprivileg des §16 Abs 1 ECG umfasse zwei Fälle: Der Hostprovider sei nicht verantwortlich, wenn er von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis habe. Damit scheide seine Verantwortlichkeit nach strafrechtlichen Bestimmungen, nach dem Verwaltungsstrafrecht und nach Schadenersatzrecht aus. Für Schadenersatzansprüche bestimme § 16 Abs 1 Z 1 ECG, dass dem Provider auch keine Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich werde, bewusst sein dürfe. Den Provider treffe aber keine allgemeine Überwachungs- und Kontrollpflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte der Homepages und Websites. Nach § 16 Abs 1 Z 2 ECG sei der Provider nicht verantwortlich, wenn er unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, tätig werde, sobald er tatsächlich Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information erlangt habe. Die Bestimmung des §19 ECG, wonach die §§ 13 bis 18 ECG gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Dienstanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt lassen, schließe die Anwendung des Haftungsprivilegs des §16 ECG auf zivilrechtliche Unterlassungsansprüche nicht aus. Die Zweitbeklagte habe den angeblich rechtswidrigen Zustand nicht gekannt und auch nicht gefördert, sondern im Gegenteil gleich nach Erhalt entsprechender Informationen den Zugang zur Homepage gesperrt.

Die Berufung der Klägerin bekämpft dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Zweitbeklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtssatz

Die Berufung ist nicht berechtigt.
Nach § 16 Abs 1 ECG ist ein Host-Provider für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, soferne er
1. von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
2. sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

§ 16 setzt Art 14 der Richtlinie (RL 2000/31/EG - E-Commerce-RL) über den Ausschluss der Verantwortlichkeit eines Host-Providers um. Das Haftungsprivileg des §16 Abs 1 umfasst zwei Fälle: Der Provider ist zum einen nicht verantwortlich, wenn er von einer rechtswidrigen Tätigkeit (etwa einer rechtswidrigen Anleitung zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Daten) oder Information (etwa beleidigende oder kreditschädigende Angaben) keine tatsächliche Kenntnis hat. Der Provider soll wiederum allgemein von der auf Grund bestehender Vorschriften gegebenen straf-, verwaltungsstraf- und schadenersatzrechtlichen Verantwortlichkeit freigestellt werden. Wenn er von rechtswidrigen Tätigkeiten und Informationen eines fremden Nutzers nichts weiß, kann er für die von ihm gespeicherten Informationen weder nach strafrechtlichen Bestimmungen noch nach dem Verwaltungsstrafrecht noch schadenersatzrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Für Schadenersatzansprüche bestimmt § 16 Abs 1 Z 1 im Einklang mit Art 14 Abs 1 lit a der RL, dass dem Provider auch keine Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, bewusst sein dürfen. Eine vorherige Prüfung der von einem fremden Nutzer eingegebenen Informationen trifft den Anbieter aber nicht. Zum anderen soll dem Provider nach § 16 Abs 1 Z 2 die Freistellung von der Verantwortlichkeit dann zugute kommen, wenn er unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern) tätig wird, sobald er tatsächlich Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information erlangt. Die Richtlinien und ihre Erwägungsgründe setzen sich nicht mit der praktisch relevanten Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen der Host-Provider von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information ausgehen muss. Im Besonderen fragt sich, ob einem Anbieter die Kenntnis oder - für Schadenersatzansprüche - das Kennenmüssen rechtswidriger Tätigkeiten oder Informationen schon dann unterstellt wird, wenn er die Sach- und Rechtslage anhand der ihm vorliegenden Informationen nicht abschließend beurteilen kann. Verlangt ein Dritter ein Einschreiten des Providers und die Entfernung der Information bzw die Sperre des Zugangs, so wird der Provider zur Tätigkeit verpflichtet sein, "wenn die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist" (vgl OGH 19.3.2000 MR 2000, 328 mit Anm Pilz), wenn die Rechtswidrigkeit für den Anbieter wie für jedermann "leicht erkennbar" ist (vgl § 9 Abs 2 StGB). Der Ausdruck "tatsächliche Kenntnis" wird eng auszulegen sein und in etwa den Begriff "Wissentlichkeit" iSd § 5 Abs 3 StGB entsprechen (Erläut RV 817 Blg.GP 21).

Das ECG statuiert keine neuen Haftungsvoraussetzungen für Provider, sondern enthält nur Haftungsbefreiungsvoraussetzungen (Zankl, ECG Rz 225; Kresbach E-Commerce, 55).
Fraglich ist, ob die Haftungsprivilegien des ECG, hier des § 16 Abs 1, lediglich allfällige Schadenersatzansprüche ausschließen und vor allem im Hinblick auf die Bestimmungen des § 19 ECG nicht für Unterlassungsansprüche oder Beseitigungsansprüche gelten. Nach § 19 Abs 1 ECG lassen die §§ 13 bis 18 ECG gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Diensteanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt. Diese Bestimmung gründet sich auf Art 14 Abs 3 der RL:
Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedsstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.
Kresbach (aaO, 56) befürwortet die Geltung der Haftungsprivilegien auch für Unterlassungsansprüche wie insbesondere in wettbewerbsrechtlichen Verfahren unter Hinweis auf die widersprüchlichen Gesetzesmaterialien. Diese betonen einerseits, dass in der RL der Begriff der "Verantwortlichkeit" in einem umfassenden Sinn verstanden werde, andererseits beschränken sich die weiteren Ausführungen in den Materialien zu den §§13 ff ECG nur auf den Ausschluss der Verantwortung in Bezug auf Schadenersatzansprüche. Da der Gesetzestext des ECG die Reichweite einer zivilrechtlichen Haftungsprivilegierung nicht wirklich befriedigend regle, betreffe der Ausschluss der Verantwortlichkeit auch Unterlassungsansprüche.

Schanda (Verantwortung und Haftung im Internet nach dem neuen E-Commerce-Gesetz: ecolex 2001, 920 f) führt aus, nach den Erl zu § 19 betreffe diese Bestimmung zwar auch die Rechtsverfolgung im Zivilrechtsweg, weshalb es den ordentlichen Gerichten vor allem unbenommen blieb, gegen einen Provider auf Antrag einen Unterlassungsbefehl zu erlassen, sofern die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs (auf Grund allgemeiner zivilrechtlicher Regelungen wie etwa der §§16, 43 und 1330 ABGB, aber auch auf Grund besonderer Regelung wie etwa des § 81 UrhG und anderer vergleichbarer Bestimmungen) vorliegen. Auch nach der bisherigen Rechtslage setze ein Unterlassungsanspruch gegen einen Provider eine bewusste Förderung des unmittelbaren Täters voraus und sei berechtigt, wenn der Provider die Rechtsverletzung trotz Kenntnis nicht unverzüglich unterbindet. Die Haftung für Unterlassungsansprüche entspreche damit auch bisher der nunmehr in § 16 ECG normierten Regelung. Eine Auslegung des § 19 ECG, dass zivilrechtliche Unterlassungsansprüche durch die Regelungen der §§ 13 f ECG nicht erfasst sein sollen, erscheine daher wenig überzeugend.

Blume/Hammerl (ECG, 153) differenzieren dazu zwischen Erfolgsunrecht und Verhaltensunrecht. Der erste Fall betreffe die Gefährdung eines absolut geschützten Rechtsgutes (zB Ehre, Name) bzw den drohenden Eintritt eines verpönten Erfolges (zB Datenschutz, Privat- und Geheimsphäre). Derartigen Ansprüchen könne der Provider nicht § 16 Abs 1 entgegenhalten, weil § 19 Abs 1 dies explizit ausschließe. Im Bereich des Urheber- wie des Wettbewerbsrechtes könne der Provider als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in Anspruch genommen werden. Voraussetzung dafür sei eine bewusste Förderung des fremden Rechtsbruches, die nur dann anzunehmen sein werde, wenn der Provider trotz eines "Bewusstseins" untätig bleibe.

§ 19 ECG steht nach Ansicht des Berufungsgerichtes der Anwendung des in § 16 ECG enthaltenen Haftungsprivilegs auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nicht entgegen. Die Erl zu § 16 verweisen zum Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auf die Entscheidung MR 2000, 328 "fpo.at", der im Provisorialverfahren - ein Unterlassungsanspruch zugrundelag. Damit wird zur Verantwortlichkeit des Providers bei Schadenersatzansprüchen auf die Kriterien verwiesen, die von der Judikatur zu Unterlassungsansprüchen gegen "Gehilfen" bei offenkundiger Rechtsverletzung im Internet entwickelt wurden. Im vorliegenden Fall kann die Anwendung des Haftungsprivilegs auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche dahingestellt bleiben. Das Ergebnis bleibt dasselbe, unabhängig davon, ob die Beurteilung auf § 16 ECG oder die allgemeinen Kriterien der Gehilfenhaftung bei Förderung fremden Wettbewerbes abstellt.

Die Klägerin hat die Homepage der Erstbeklagten mehrfach konkret bemängelt. Damit kommt es sowohl nach den Materialien des § 16 ECG als auch nach den in den Entscheidungen fpo.at I und fpo.at II = 4 Ob 176/01p dargelegten Kriterien darauf an, ob die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschung offenkundig war und damit die Verpflichtung des Providers zum unverzüglichen Handeln auslöste. Dies ist zB dann der Fall, wenn der Provider weiß, dass sich auf einer bestimmten Homepage kinderpornographische Inhalte oder Aufrufe oder Instruktionen zu terroristischen Aktivitäten befinden, nicht aber bei einem Selbstmordforum (Zankl ECG Rz 236). Die im Hinblick auf das Unterlassungsbegehren relevante Bemängelung bezog sich auf zwei Punkte: 1. Die Bewerbung von Kontakten unter bestimmten Telefonnummern, darunter auch sogenannten "Mehrwertnummern" (0810 ....) als gratis und 2. die Unzulässigkeit von Freizeichnungserklärungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Beurteilung, ob 1. die Bewerbung von bestimmten Telefonnummern als gratis als irreführend iSd § 2 UWG zu werten ist und ob 2. nach zivilrechtlichen Grundsätzen derartige Freizeichnungserklärungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig sind, ist für den "Durchschnittsmenschen" (§ 9 Abs 2 StGB: "wie für jedermann" ...) sicher nicht sofort eindeutig zu bejahen. Insofern liegt die Sache anders als in dem der Entscheidung 4 Ob 176/01p = fpo.at II zugrundeliegenden Fall. Dort wurde eine Homepage ins Netz gestellt, die im Wesentlichen mit jener der dortigen Klägerin identisch war, zusätzlich zu dieser aber "Links" zu rechtsradikalen Organisationen aufwies. Der OGH beurteilte dies als schwerwiegende Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Klägerin durch unbefugten Namensgebrauch, die auch für juristische Laien ohne weitere Aufklärungen offenkundig sei und bejahte die Haftung der Domain-Vergabestelle für den nach Einschränkung verbliebenen Beseitigungsanspruch. Für einen Laien ist der Unrechtsgehalt einer Verletzung von Namensrechten im Zusammenhang mit rechtsradikalen Links eher fassbar, als dies bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Haftungsausschlusses und der Irreführungseignung von Werbung im Internet der Fall ist. Hier scheidet mangels Offenkundigkeit der Rechtsverletzung eine Haftung des Providers aus. Damit kommt es entgegen der Berufungsargumentation nicht mehr darauf an, ob die Zweitbeklagte nach der Bemängelung der Homepage iSd § 16 Abs 1 Z 2 ECG unverzüglich tätig geworden ist. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Sperre oder Entfernung der Information setzt nämlich die Kenntnis oder das Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit voraus. Abgesehen davon hat die Zweitbeklagte jeweils kurzfristig die Sperre der Homepage veranlasst und sie erst nach Einleitung einer Überprüfung wieder freigegeben. Die Maßnahmen der Zweitbeklagten, sich bei der ersten Freigabe davon zu überzeugen, ob für die Telefonate Preisangaben vorhanden waren, und vor der zweiten Freigabe der neuerlich gesperrten Homepage eine Bestätigung der Rechtskonformität zum Inhalt der AGB zu verlangen, sind als ausreichend zu beurteilen, um ihre Verantwortung auszuschließen. Die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Wettbewerbskonformität einer Homepage ist dem Provider bei derartigen Behauptungen über irreführende und sittenwidrige Werbung im Internet nicht zumutbar. Unter dem Zumutbarkeitsaspekt ist auch der Auffassung der in der Berufung zitierten Autoren Kainz und Trappitsch (ecolex 2002, 737 ff) nicht beizutreten. Nach ihrer Auffassung ist der Erhalt des Haftungsprivilegs des § 16 ECG davon abhängig, dass sich der Provider bei ausreichend qualifizierten Hinweisen selbst von der Rechtswidrigkeit des Inhaltes überzeugt und für den Fall, dass sich der Hinweis als begründet herausstellt, diesen sperrt oder entfernt. Offen bleibt dabei nämlich, wie die Rechtswidrigkeit - abgesehen von eindeutigen, durch entsprechende Filtersoftware unter Umständen leicht festzustellende Gesetzesverstößen - vom Provider eindeutig festgestellt werden soll.

Aus diesen Erwägungen ist eine Haftung der Beklagten abzulehnen. Damit erübrigt es sich, auf die Angemessenheit der begehrten Veröffentlichung einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§41, 50 Abs 1 ZPO, der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes auf §500 Abs 2 Z 1 lit b, Abs 3 ZPO.
Soweit überblickbar besteht keine höchstgerichtliche Judikatur zur Haftung des Host-providers bzw zur Anwendung der Haftungsprivilegien des ECG auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche, weshalb die Revision zugelassen wurde.

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