Außergerichtliche Streitschlichtung in B2C-Konflikten im E-Commerce

von Jürgen H. Gangoly

1.        Ausgangssituation
2.     Das Projekt Internet Ombudsmann – www.ombudsmann.at
2.1       Der Internet Ombudsmann: Beschreibung der Beschwerdefälle
2.2       Der Internet Ombudsmann: Ablauf der Streitschlichtung 
2.3       Der Internet Ombudsmann: Konfliktvermittlungsstrategie

2.4       Der Internet Ombudsmann: Fallbeispiel

2.4.1                Keine Ware – dennoch wurden Kreditkarten belastet

3.        Erfolgsfaktoren

3.1            Technik
3.2            Human Interface
4.     Ausblick in die Zukunft

1.          Ausgangssituation

Das Internet bzw. das World Wide Web (WWW) hat sich in den letzten Jahren vom ursprünglichen reinen Präsentations- und Kommunikationsmedium zu einem weltweiten Online-Marktplatz entwickelt, auf dem Waren und Dienstleistungen nicht nur präsentiert, sondern auch verkauft werden.

Neben den zahlreichen Vorteilen, die der Online-Handel für alle Beteiligten mit sich brachte, sind auch eine Reihe von neuen Problemstellungen entstanden auf die in den folgenden Seiten noch im Detail eingegangen wird. Zusammengefasst sind diese sind hauptsächlich auf „klassische Versandhandels-Probleme“, auf die größeren Distanzen zwischen Anbieter und Konsument (grenzüberschreitender Handel) und damit verbundene Kommunikationsschwierigkeiten, und – wenn auch in relativ geringem Ausmaß – auf neue, durch das Internet erleichterte, Betrugsformen zurückzuführen.

In vielen Fällen arten diese E-Commerce-Probleme zu für die Beteiligten selbst nicht lösbaren Konflikten aus, die ohne die Einbindung und Hilfestellung Dritter – vor allem für Konsumenten – nur schwer bzw. nur mit großem zeitlichem und finanziellem Aufwand vor Gericht zu lösen sind. Dadurch ergibt sich ein (eigentlich) logisches Anwendungsgebiet für die breite Etablierung der Online-Mediation im Zusammenhang mit E-Commerce-Problemen.

Die rasche und kosteneffiziente Möglichkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung via Internet hat jedoch im Vergleich zum kommerziellen E-Commerce-Hype nur wenig Beachtung in der breiten Öffentlichkeit gefunden.

Die öffentliche Diskussion rund um E-Commerce wurde lange Zeit von den für die Medien spannenderen Themen („bad news are good news“), wie mangelnde Zahlungssicherheit, Betrug oder unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen beherrscht.

Dies hat zu einer großen Verunsicherung bei Konsumenten und Anbietern geführt, die zusätzlich dadurch verstärkt wurde, dass bestehende Streitschlichtungs- und Interventionseinrichtungen, z. B. jene von etablierten Konsumentenschutz­organisationen, nicht unmittelbar mit dem Themenbereich E-Commerce assoziiert wurden und daher von der Internet-Community nicht genutzt wurden.

An dieser Stelle muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass die klassischen (staatlichen und halbstaatlichen) Konsumentenschutzeinrichtungen im deutschsprachigen Raum lange Zeit auf ein Engagement in E-Commerce-Bereich – sowohl technisch als auch inhaltlich – nicht ausreichend vorbereitet waren bzw. einem Engagement in diesem Bereich keine Priorität zugeordnet haben.

Die Auswirkungen des E-Commerce auf den Bereich Konsumentenschutz, die damit einhergehenden Problemfälle und die technischen Möglichkeiten, die das Internet im Bereich der Online-Mediation bietet, wurden von den Konsumentenschutz-Experten lange Zeit schlichtweg falsch eingeschätzt. Die Zeichen der Zeit wurden aber gerade noch rechtzeitig erkannt.

Inzwischen ist auch den letzten Technologie-Skeptikern, trotz aller Rückschläge in der IT-Branche, klar: E-Commerce ist mehr als eine weitere Spielart des klassischen Versandhandels. Es gibt eine eigene Online-Kultur, eigene Regeln und eine Reihe von genuinen „Online-Problemen“. Daher besteht auch großer Bedarf nach professioneller Online-Mediation. Die Europäische Union hat daher den Bereichen Online-Mediation und außergerichtliche Streitschlichtung inzwischen eigene Förderungstöpfe zuerkannt und sie zu einem inhaltlichen Schwerpunkt für die nächsten Jahre gemacht.

Der grenzüberschreitende Online-Handel ist heute zu einem umfangreichen Anwendungsgebiet für außergerichtliche Streitschlichtung und gleichzeitig der prädestinierteste für Online-Mediation geworden. Letzteres ist nicht zuletzt deswegen der Fall, da normalerweise alle Streitparteien bereits „online“ sind und daher technische und andere Zugangshürden, die in vielen anderen Bereichen noch bestehen, bei der Online-Streitschlichtung im Zusammenhang mit E-Commerce weitgehend ausgeschlossen werden können.

Das auf den folgenden Seiten beschriebenen österreichische Projekt „Internet Ombudsmann“ war eine der ersten europäischen Online-Streitschlichtungsstellen (gegründet 1999), die sich auf die Online-Mediation im Zusammenhang mit E-Commerce-Problemen spezialisiert hat.


2.          Das Projekt Internet Ombudsmann – www.ombudsmann.at

Der Internet Ombudsmann wurde 1999 vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) in Zusammenarbeit mit den Verein für Konsumenteninformation gegründet.

Das ÖIAT ist eine gemeinnützige Einrichtung zur Förderung der Nutzung des Internet und eine anerkannte private Forschungseinrichtung mit Sitz in Wien. Die Projekte des Instituts werden von unabhängigen Experten im Auftrag bzw. in Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen (Ministerien etc.), Interessensvertretungen der Wirtschaft und Unternehmen entwickelt und umgesetzt.

Bis zur Gründung des Internet Ombudsmann im Dezember 1999 gab es in Österreich kein dezidiertes Angebot der Online-Mediation für Streitfälle, die aus dem Online-Handel hervorgingen.

Das ÖIAT hat diese Aufgabe im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Pilot-Projektes übernommen und alle relevanten österreichischen Stellen, wie die zuständigen Ministerien (Wirtschaft, Konsumentenschutz, Justiz), die Konsumentenschutzorganisationen, die Wirtschaftskammer und die Dachorganisation der österreichischen Internet Service Provider (ISPA)eingeladen, sich gemeinsam in diesem Bereich zu engagieren.

Ziel war es, mit dem Internet Ombudsmann einen neuen – sowohl von Konsumentenschutzorganisationen als auch von der Wirtschaft anerkannten – Streitschlichtungsmechanismus im E-Commerce-Bereich zu entwickeln, der – dem Internet-Zeitalter angepasst – medienadäquat an die neuen Problemstellungen herangeht und daher im Wesentlichen via Online-Mediation seine Dienste verrichtet.

Ein weiterer Inhalt des Projektes war, software-unterstützte Mediationsabläufe zu entwickeln, um in Zukunft den Ablauf einer außergerichtlichen Streitschlichtung auch in anderen Anwendungsgebieten zu beschleunigen und gleichzeitig eine effiziente grenzüberschreitende Mediation zu geringen Kosten zu ermöglichen.

Als erste und wichtigste Maßnahme im Rahmen des Projekts Internet Ombudsmann wurde im Dezember 1999 nach einer circa einjährigen inhaltlichen und technischen Vorbereitungszeit unter http://www.ombudsmann.at eine Internet-Plattform für Konsumenten und Anbieter geschaffen. Diese bietet neben aktuellen Informationen zum Thema E-Commerce auch direkten und kostenlosen Zugang zu einer Online-Mediations- und Streitschlichtungsstelle. Die unmittelbare breite Akzeptanz dieses Angebots hat selbst die Erwartungen der Organisatoren übertroffen. Bereits im ersten Projektjahr (2000) konnten über 700 E-Commerce-Streitfälle mittels außergerichtlicher Streitschlichtung gelöst werden.

An der Bearbeitung aller Streitfälle waren Juristen, Konsumentenschutz und Internet-Experten eingebunden. Im Jahr 2001 hat sich die Zahl der bearbeiteten Beschwerdefälle bereits auf mehr als 1000 ausgeweitet. Die außergerichtliche Lösungsquote lag zuletzt bei 93,7 Prozent.

Zusätzlich zur hohen Erfolgsquote bei der außergerichtlichen Streitschlichtung konnte durch eine breite Medienberichterstattung über die gelösten Beschwerdefälle und betrügerische Angebote im Internet größerer Schaden verhindert werden.

Die umfassende Medien- und Informationsarbeit rund um das Projekt Internet Ombudsmann wurde im Herbst 2000 mit dem österreichischen Staatspreis für Public Relations ausgezeichnet.

Der Internet Ombudsmann diente seit seiner Gründung im Jahr 1999 als Vorbild für verschiedene seither entstandene Online-Mediationsangebote in den Ländern der europäischen Union und ist mittlerweile in ein ständig kooperierendes internationales Netzwerk von Online-Mediations- und Konsumentenschutz-Einrichtungen eingebunden.


2.1       Der Internet Ombudsmann: Beschreibung der Beschwerdefälle

Die inhaltliche Auswertung der Beschwerden zeigte, dass die meisten beim Internet Ombudsmann gemeldeten Probleme (ca. 90 Prozent) auf überzogene Versprechen der Anbieter, Produktmängel und logistische Probleme zurückzuführen waren. Daher eignete sich der Großteil der gemeldeten Beschwerden für die Anwendung von Mediations-Mechanismen.

Vorsätzlicher Betrug war bei den dem Internet Ombudsmann gemeldeten Problem-Fällen eher eine Randerscheinung (ca. 8 Prozent der Fälle). Überdurchschnittlich oft traten betrügerische Aktivitäten jedoch im Zusammenhang bei folgenden Arten von Online-Angeboten auf:

a)       Online-Auktionen (Consumer-to-Consumer), z. B. Vorauskassa, kein Produkt erhalten

b)       So genannte „Gratis-Angebote“, die versteckt in kostenpflichtige Dauer-Abos übergehen

c)       Kreditkarten-Eingabe zur ”Altersidentifizierung“, z. B. bei Sex-Sites, danach erfolgten regelmäßige Belastungen der Kreditkarte

Bei diesen Betrugsfällen, die bei genauerer Betrachtung durch Experten meist von Beginn an als solche erkennbar sein hätten müssen, konnte zumeist kein Streitschlichtungsprozess eingeleitet werden, da der Beschuldigte in den überwiegenden Fällen unbekannt bzw. flüchtig war. Solche Fälle mussten direkt den Justizbehörden übergeben werden.

Jene Bereiche in denen die außergerichtliche Streitschlichtung erfolgreich angewandt werden konnte, lassen sich nach einer statistischen Auswertung grob in vier Problemgruppen kategorisieren:

1.      Probleme mit Kreditkartenzahlungen

2.      Probleme bei der Abwicklung von Reklamationen

3.      Probleme aufgrund technischer Mängel von Websites

4.      Probleme mit Internet Providern


Ad 1.      Probleme mit Kreditkartenzahlungen

Mit Kreditkarten durchgeführte Online-Zahlungen und damit verbundene Probleme führten immer wieder zu Reklamationen von Konsumenten. Diese waren zumeist darauf zurückzuführen, dass Online-Anbieter die Kreditkarten ihrer Kunden bereits unmittelbar nach der Durchführung der Bestellung belasteten und nicht erst zum Zeitpunkt der Produktauslieferung.

Speziell wenn Unternehmen mit dem für sie kostengünstigen Backordering-System arbeiten und Produkte erst dann von Großhändlern beziehen (wollen), nachdem sie bei ihnen vom Endverbraucher bestellt wurden (z. B. Powershopping-Anbieter), war das oft Wochen und manchmal auch Monate vor der eigentlichen Auslieferung des Produktes. Dies führte dazu, dass die Kunden den Online-Shops ungewollt Kredit gewährten.

Kein einziger der gemeldeten betrügerischen Kreditkartenmissbräuche (z. B. systematische Mehrfach- oder gänzlich unberechtigte Abbuchungen) war auf österreichische Anbieter zurückzuführen. Die gemeldeten Beschwerden betrafen alle US-amerikanische Anbieter oder solche mit Off-Shore-Firmensitzen, wie z. B. Virgin Islands etc. Allerdings wandten sich zahlreiche österreichische Unternehmer an den Internet Ombudsmann, die durch falsche Kreditkartendaten ihrer „Kunden“ oder fragwürdige Rückbuchungen geschädigt wurden.

Ad 2.               Probleme bei der Abwicklung von Reklamationen

Bei Produkt-Reklamationen oder bei Fällen in denen der Verbraucher binnen der vom Konsumentenschutzgesetz zugestandenen Frist nach der Lieferung vom Vertrag zurücktreten wollte, traten oft Probleme bei der Rück-Abwicklung auf. Viele Online-Shops verfügen im Backoffice-Bereich offensichtlich nicht über professionelle Customer Care-Strukturen oder verzögern Rückzahlungen bewusst.

In der Praxis zeigte sich, dass die vom Konsumentenschutzgesetz geforderte unmittelbare Rücküberweisung durch das Unternehmen nach Vertragsrücktritt des Konsumenten nicht ausreichend geregelt ist bzw. für die Verbraucher nur schwer durchsetzbar ist.  Am problemslosesten für den Konsumenten hat sich erwiesen, die Produkte per Nachnahme oder auf Rechnung schicken zu lassen. Jene Online-Shops, die diese Zahlungsmethoden anbieten, verursachten kaum Beschwerden von Konsumenten.

Ad 3.               Probleme aufgrund technischer Mängel

Der Internet Ombudsmann war mit einer Vielzahl von Beschwerden konfrontiert, die eindeutig auf technische Mängel der Unternehmens-Websites zurückzuführen waren. Unzureichende Zahlungs- und Bestellsysteme, keine oder rechtlich bedenkliche Allgemeine Geschäftsbedingungen, sowie keine Kontaktmöglichkeiten waren die häufigsten Punkte der gemeldeten allgemeinen Beschwerden. Dazu durchgeführte zusätzliche Erhebungen des ÖIAT (E-Quality in Österreich 2000, DI Klaus Mühlbauer – http://www.updateKMU.at) haben ergeben, dass 12 Prozent der österreichischen Online-Shops ihre Produkte via Internet zum Kauf anbieten, ohne über ihre (wahre) Identität Auskunft zu geben, oder eine Kontaktmöglichkeit zu bieten. Bedenklich ist allerdings auch, dass viele Konsumenten trotzdem bei solchen anonymen Shops einkaufen.

Ad 4.               Probleme mit Internet Providern

Neben den „klassischen“ E-Commerce-Beschwerdefällen, wurde der Internet Ombudsmann mit circa zweihundert Beschwerden wegen technischer Mängel aus dem Bereich der Internet Provider konfrontiert. Diese Beschwerden waren hauptsächlich auf große Systemausfälle bzw. Zugangsprobleme zurückzuführen.

Weitere Beschwerden über Internet-Provider betrafen undurchsichtige Abrechnungsmodalitäten, Spamming, Datenweitergabe, mangelndes Kundenservice bei Problemen und systematische Fehlinformationen durch Callcenter.

2.2       Der Internet Ombudsmann: Ablauf der Streitschlichtung

Bei der Entwicklung des Ablaufes des Streitschlichtungsprozesses wurde größter Wert darauf gelegt, dass zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Internet Ombudsmann keine hard- und software-technischen Anforderungen erfüllt werden müssen, die über das durchschnittliche Maß eines Internet-Einsteigers hinausgehen. Unter diesen Gesichtspunkten wurden auch das gesamte Interface von www.ombudsmann.at betont einfach und selbst erklärend gestaltet.

Zur Meldung eines Beschwerdefalles beim Internet Ombudsmann mit dem Ersuchen um die Einleitung einer außergerichtlichen Streitschlichtung reicht daher das Ausfüllen eines einfachen Online-Formulars unter Nennung der persönlichen Daten des Beschwerdeführers und des Beschuldigten sowie einer Schilderung des Sachverhaltes.

Anonymen Beschwerden wird nur dann nachgegangen, wenn Gefahr im Verzug ist, oder wenn aufgrund der übermittelten Informationen ein strafrechtlich relevanter Tatbestand angenommen werden muss.

Zusätzlich zur Meldung von Beschwerdefällen können allerdings anonym allgemeine Anfragen zum Thema E-Commerce gestellt werden. Alle Anfragen werden binnen 24 Stunden erstbeantwortet. Im Jahr 2001 wurden ca. 2700 allgemeine Anfragen zum Thema E-Commerce an den Internet Ombudsmann gerichtet.

Alle eingehenden Beschwerdefälle werden SSL-verschlüsselt übertragen und datenbank-unterstützt von einem technisch, inhaltlich und kommunikativ qualifiziertem Projektteam bearbeitet.

Die eigens für den Internet Ombudsmann entwickelte Fallbearbeitungssoftware im Backoffice erinnert die Betroffenen und den Fallbearbeiter auf gestellte Fristen und dokumentiert den gesamten Ablauf des Mediationsverfahrens inklusive aller geführten Kommunikationsmaßnahmen.

Der Grundsatz für die – durch das eher geringe Projektbudget limitierten – Softwareinvestitionen lautete: Low tech und gute Usability im Front-End, High-tech, bestmögliche Security, sowie effizienz- und qualitätssichernde Maßnahmen im Back-end.

Alle eingehenden Beschwerden werden dem Beschwerdeführer automatisch unter Nennung einer Kontaktperson beim Internet Ombudsmann per E-Mail rückbestätigt.

Die inhaltliche Überprüfung der eingehenden Daten erfolgt durch die – entsprechend ihrer Qualifikation (nach Fallkategorie) – zuständigen Sachbearbeiter. Bei Bedarf werden weitere Unterlagen und Informationen nachgefordert, bevor ein erster Kontakt mit der Konfliktpartei aufgenommen wird.

In der überwiegenden Anzahl der Fälle kann die gesamte Kommunikation mit Beschwerdeführer und Beschuldigtem online – zumeist via E-Mail abgewickelt – werden. Ein Großteil der Fälle kann innerhalb der internen Projektvorgabe von sieben Tagen gelöst werden.

Ein Fall gilt dann als gelöst, wenn die beschuldigte Partei der Forderung des Beschwerdeführers bzw. Aufforderung des Internet Ombudsmann nachkommt, oder ein Vergleichsvorschlag von allen beteiligten Parteien akzeptiert wird.

Die statistischen Daten, die sich aus den bearbeiteten Fällen ergeben (Anzahl der Beschwerden, Gründe für Beschwerden, betroffene Branchen, Schadenssummen etc.) werden anonymisiert öffentlichen Einrichtung, Medien und Forschungseinrichtungen – ebenfalls online – gratis zur Verfügung gestellt.

2.3       Der Internet Ombudsmann: Konfliktvermittlungsstrategie

Der Erfolg des Internet Ombudsmann bei der außergerichtlichen Lösung von Streitfällen ist wesentlich auf seine von Beginn an neutrale Positionierung als Service- und Informationseinrichtung, die sich gleichberechtigt für Konsumenten und Unternehmen einsetzt, zurückzuführen. Diese Positionierung konnte aufgrund der Einbindung von anerkannten Konsumentenschutzorganisa­tionen und Interessenvertretungen der Wirtschaft in das Projektteam erreicht werden und wurde seit der Planungsphase des Projektes nicht verändert.

Ziel ist es, die Probleme des Beschwerdeführers – egal ob Konsument oder Anbieter – rasch und effizient zu lösen. Dazu ist Glaubwürdigkeit, unparteiisches Vorgehen sowie das Hören und unvoreingenommene Überprüfen der Argumente aller Beteiligten eine Grundvoraussetzung.

„Freundlich im Ton, verbindlich und – wenn notwendig – hart in der Sache“ wurde einer der strategischen Leitsätze im Team des Internet Ombudsmann.

Obwohl die Beschwerden von Konsumenten einen Großteil der Fälle ausmachen, wenden sich mittlerweile immer mehr Unternehmen direkt an den Internet Ombudsmann, um eine außergerichtliche Einigung bei Streitfällen mit ihren Kunden zu erreichen.

Die Vorteile der außergerichtlichen Streitschlichtung wurden im Rahmen des Projekts breit kommuniziert und liegen inzwischen auch für viele Internet-Anbieter auf der Hand: Zufriedene Kunden, kein Imageschaden, keine negative Berichterstattung in den Medien, Vermeidung von langwierigen und kostenintensiven gerichtlichen Auseinandersetzungen etc.

Zahlreiche Unternehmen weisen mittlerweile in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unaufgefordert auf die Existenz des Internet Ombudsmann hin und verpflichten sich freiwillig bei Problemen die außergerichtliche Streitschlichtung anzustreben. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass aus Kulanzgründen immer mehr Fälle auch dann zur Zufriedenheit des Konsumenten gelöst werden können, wenn kein nachweisbares Fehlverhalten des Anbieters, sondern z. B. eine Fehlbedienung des Konsumenten vorliegt.

2.4       Der Internet Ombudsmann: Fallbeispiel

2.4.1   Keine Ware – dennoch wurden Kreditkarten belastet

Der Internet-Ombudsmann hat für über hundert XY.com-Kunden eine Rückzahlung von bereits via Kreditkarte belasteten Beträgen erreicht, nachdem die bestellten Waren monatelang nicht geliefert wurden.

Zu Beginn dieses Jahres 2001 hatte der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Online-Shopping-Anbieter XY.com seinen Betrieb in Österreich eingestellt und daraufhin jede Kommunikation mit seinen Kunden eingestellt.

Obwohl zu dieser Zeit aus Liquiditätsgründen keine Produkte mehr geliefert werden konnten, war die Website des Unternehmens weiterhin online und XY.com hat nach eingegangenen Bestellungen weiterhin automatisch die Kreditkarten von mehr als hundert Österreichern belastet, ohne je Produkte zu liefern.

Auch zahlreiche ältere Reklamationen, die teilweise bis zu einem Jahr zurücklagen, sind nicht mehr weiter bearbeitet worden. Da direkte Anfragen der Kunden vom Unternehmen nicht beantwortet wurden, haben sich die Betroffenen an den Internet Ombudsmann gewandt.

Nach langwierigen Recherchen bezüglich der eigentlichen Zuständigkeit und anschließenden Verhandlungen mit XY.com in Österreich, Deutschland und Holland, hat der Internet Ombudsmann eine außergerichtliche Einigung erreicht. Die ersten Schecks sind unmittelbar nach der Einigung mit dem Unternehmen bei den Betroffenen eingelangt.

XY.com hatte, um Serien-Betrugsvorwürfe von unzufriedenen Kunden zu entschärfen, zuerst von "unglücklichen Überschneidungen" gesprochen, ist jedoch trotzdem den darauf folgenden Rückzahlungsaufforderungen monatelang nicht nachgekommen.

Die Experten des Internet Ombudsmann traten, durch eine lückenlose Dokumentation von mehr als hundert Fällen gestärkt, in Verhandlungen mit dem Unternehmen ein.

Nachdem aus den laufenden Verhandlungen entstandene Rückzahlungs­vereinbarungen mehrmals nicht eingehalten worden waren, wurde über den Rechtsschutz des Internet Ombudsmann eine Klagsschrift vorbereitet und dem Unternehmen „zur Voransicht“ übermittelt.

Daraufhin hat XY.com Deutschland sich in letzter Minute zuständig erklärt und den sofortigen Beginn der Rückzahlungen per Verrechnungsscheck veranlasst.

Binnen zwei Wochen konnten über den Internet Ombudsmann alle offenen Beschwerde-Fälle positiv erledigt werden, ohne dass den betroffenen Konsumenten Anwalts- oder Gerichtskosten entstanden wären.

3.          Erfolgsfaktoren

3.1       Technik

Das technische Werkzeug, im Falle der Online-Mediation sind das Computer und das Internet, erleichtert viele Standardvorgänge im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung und kann, dort wo Menschen zu Nachlässigkeit neigen, unterstützen und Qualität sichern.

Mit dem Internet können Distanzen leichter überwunden werden und ohne am selben Ort zu sitzen kommuniziert werden. Von diesem Einsparungspotential lebt der Online-Handel und davon lebt schlussendlich auch die diesbezügliche Online-Streitschlichtung.

Die technischen Lösungen, die bei der Online-Streitschlichtung zum Einsatz kommen, müssen höchste Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen. Sie müssen vorbildlich in der Usability sein und auf die technischen Möglichkeiten und das Know-how der Zielgruppen optimal abgestimmt sein.

An die Websites, Datenbanken und Software-Lösungen, die im Zuge einer Online-Streitschlichtung zum Einsatz kommen, sind größte Anforderungen im Hinblick auf die Flexibilität zu stellen – und daran scheitert es oft. Denn kein Streitschlichtungsprozess läuft gleich ab, aber alle müssen gleich gut bearbeitet und dokumentiert werden.

Wenn eine Streitschlichtungseinrichtung auch mit externen Partnern zusammenzuarbeitet, sollte schon in der Planungsphase auf die Einrichtung von externen Schnittstellen und den Einsatz von etablierten technischen Standards Rücksicht genommen werden.

Im Sinne eines aktiven Wissensmanagements muss der Zugriff auf bereits gelöste Fälle und deren Inhalte jederzeit und unkompliziert – am besten via Internet – möglich sein. Nur so kann doppelte Arbeit und die damit verbundene Ineffizienz verhindert werden. Und nur so macht der Einsatz von neuen Technologien in der außergerichtlichen Streitschlichtung Sinn.

3.2       Human Interface

Bei aller Technik: der wesentlichste Erfolgsfaktor bei der Online-Streitschlichtung ist und bleibt das „Human Interface“, der Mensch. Das müssen auch Technik-Freaks zur Kenntnis nehmen.

Computer können nun einmal keine Verhandlungen führen, keine für alle Parteien akzeptablen Kulanzlösungen erarbeiten. Sie können die Dringlichkeit und Seriösität von Beschwerden nicht beurteilen und können auch nicht – wenn gerade passend und notwendig – an die Vernunft aller Beteiligten appellieren. Dazu braucht es kommunikativ versierte und psychologisch geschulte, einfühlsame Menschen, die in der zu behandelnden Materie sattelfest und für alle Beteiligten vertrauenswürdig sind.

Wenn es hart auf hart geht, ist es notwendig, nicht einfach auf die Beantwortung eines E-Mails oder das Ausfüllen eines Online-Formulars zu warten. Bei aller Bewunderung für die technischen Möglichkeiten der Online-Mediation: der Griff zum Telefonhörer oder ein eingeschriebener Brief wirkt manchmal Wunder und bringt Ergebnisse zu Tage, die zig E-Mails oft nicht erreichen.

Und zu guter letzt, sind eigentlich jene abgeschlossenen Streitfälle die besten, bei denen man mit einem persönlichen Handschlag die Einigung besiegeln kann und statt in flimmernde Monitore in zufriedene Gesichter blicken kann.

4.          Ausblick in die Zukunft

Außergerichtliche Streitschlichtung ist in den Vereinigten Staaten seit langem etabliert und wird in Zukunft auch im europäischen Raum weiter an Bedeutung gewinnen – egal ob „online“ oder „offline. Diesbezügliche EU-Richtlinien und Empfehlungen weisen bereits klar in diese Richtung.

Die anstehende Harmonisierung der Konsumentenschutzbestimmungen im europäischen Raum ist nur ein Beispiel dafür und wird eine grenzüberschreitende Streitschlichtung und die transnationale Zusammenarbeit von Konsumentenschutz­organisationen weiter erleichtern.

Durch die fortschreitende Globalisierung wird die Online-Mediation und die außergerichtliche Streitschlichtung auch im Business-to-business-Bereich weiter an Bedeutung gewinnen.

Diese Entwicklungen stellen die politischen Entscheidungsträger vor neue Herausforderungen. Einerseits gilt es allgemein anerkannte Richtlinien und Rahmenbedingungen für die außergerichtliche Streitschlichtung zu schaffen. Wer darf wann, wo, mit wem und vor allem wie außergerichtlich Streit schlichten? Wie verbindlich sollen die Ergebnisse einer außergerichtlichen Streitschlichtung sein? Das sind nur einige der Fragen, die noch nicht geklärt sind.

Andererseits geht es inzwischen auch darum – bei ständig steigenden Prozess- und Anwaltskosten – zu verhindern, dass ursprünglich freiwillige Streitschlichtungs­mechanismen, durch wirtschaftliche Notwendigkeiten, zum einzig gangbaren Weg werden. Dies könnte – pessimistisch gesehen – auch zur Entstehung von (schwer kontrollierbaren?) Parallel-Systemen zur ordentlichen Rechtssprechung führen.

Jürgen H. Gangoly

©/rechtsprobleme.at
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